Der Fahrrad-Highway führt durch das Ruhrgebiet. Foto:  

Das Ruhrgebiet will den Verkehrsinfarkt mit einem 100 Kilometer langen Radschnellweg bekämpfen. Das erste Teilstück des „Fahrrad-Highways“ ist schon in Betrieb. Noch aber ist unklar, wie das Projekt finanziert werden soll.

Essen - Bei schönem Wetter geht es auf dem RS 1 schon zu wie auf der richtigen Autobahn. Es gibt Raser, die mit Karacho am Vordermann vorbeiziehen. Es gibt Schleicher, die in der Mitte kriechen. Und es gibt diejenigen, die beiden Gruppen lautstark die Meinung klingeln.

RS 1, das steht für Radschnellweg. Und für eine Vision. Was wäre, wenn Pendeln mit dem Rad genauso schnell und bequem wäre wie mit dem Auto? Und genauso sicher. Ohne Kreuzungen, Ampeln und störenden Autoverkehr soll sich der RS 1 quer durchs Ruhrgebiet schlängeln. Im staugeplagten Pott könnte ein solcher Fahrrad-Highway viele Autofahrer zum Umsteigen bewegen. Knapp 102 Kilometer soll der Premium-Radweg lang werden, eine Verkehrsader von Duisburg bis Hamm.

Noch aber existiert der Fahrrad-Highway vornehmlich auf dem Papier. Fertiggestellt ist ein zehn Kilometer langer Abschnitt zwischen Mülheim an der Ruhr und Essen. Die Hälfte dieser Strecke erfüllt bereits heute den Radschnellweg-Standard: vier Meter Radweg, zwei Meter Fußweg.

„Der Radschnellweg ist eine tolle Sache“, sagt Jörg Brinkmann vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). „Aber die Beschilderung taugt nichts.“ Was er meint, wird schon bei der ersten Abzweigung auf dem RS 1 klar. Zwar wurden in regelmäßigen Abständen Schilder aufgestellt, die die verbleibende Fahrtzeit bis Essen anzeigen. Aber wohin die Abfahrt nun führt? „Keine Ahnung“, sagt Brinkmann. „Da bräuchte man schon eine Karte.“ Auch sonst fallen ihm allerlei Kleinigkeiten auf: So gibt keinen Mittelstreifen. Neben den Ruhebänken fehlen Mülleimer. „Nachts ist es hier zappenduster“, sagt Brinkmann. Die Beleuchtung solle erst in den kommenden Monaten installiert werden.

Keine Schlaglöcher, keine steilen Berge, kein gefährlicher Autoverkehr

Dafür geht es auf der vier Meter breiten Fahrbahn wirklich angenehm voran: keine Schlaglöcher, keine steilen Berge, kein gefährlicher Autoverkehr. Höchstens mal ein Skateboarder, dem man ausweichen muss. Hinter einem hohen Zaun rauschen links die S-Bahnen vorbei; auf der rechten Seite blickt man in Hinterhöfe. Schick ist das alles nicht, eher funktional. „Es geht eben darum, möglichst schnell, zeitgemäß und CO2-arm von A nach B zu kommen“, fasst der Essener Stadtdirektor Hans-Jürgen Best das Konzept zusammen.

Das einzige Problem: Weit kommen die Pedaleure bisher nicht. Nach nur fünf Kilometern verengt sich die Spur auf drei Meter. Zu den Fahrrädern gesellen sich plötzlich Inlineskater und eine ältere Dame mit Rollator. Und statt über glatten Asphalt ruckeln die Speichen über eine Schotterpiste. Kurz vor der Essener Innenstadt muss zudem eine vierspurige Hauptstraße überquert werden.

Bis 2020 soll der Highway fertiggestellt sein

Schon bald werden all diese Unannehmlichkeiten ein Ende haben, verspricht Martin Tönnes, Grünen-Politiker und Bereichsleiter beim Regionalverband Ruhr (RVR). Der RVR ist für die Umsetzung des ambitionierten Bauprojekts zuständig. Das Ziel: Bis 2020 soll der 180 Millionen Euro teure Fahrrad-Highway fertiggestellt sein – weit günstiger als der Bau einer Autobahn. „Planerisch ist die Trasse zu 93 Prozent gesichert“, sagt Tönnes.

Noch aber gibt es entscheidende Hürden. Zum Beispiel das Gesetz, das den Fahrrad-Highway als „Landesradweg“ klassifizieren und somit durch Landesmittel bezahlen würde. Es existiert schlicht noch nicht, soll aber vor der Sommerpause beschlossen werden. Auch aus Berlin ist keine Förderung zu erwarten. Der RS 1 hat es nicht in den Bundesverkehrswegeplan geschafft. Trotzdem ist Christian Wagener, Fahrradbeauftragter der Stadt Essen, optimistisch: „Göttingen, Kopenhagen und all die anderen Fahrradstädte zeigen doch, dass Radschnellwege funktionieren.“

Das Potenzial dafür scheint jedenfalls vorhanden. Während in Kopenhagen fast die Hälfte aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt wird, sind es in Deutschland bislang nur durchschnittlich 12,9 Prozent.