Das kleine Goldkopflöwenäffchen klammert sich an seiner Babysitterin fest. Foto: Wilhelma Stuttgart / Heidi Schneider

Besucher und Experten der Wilhelma in Stuttgart beobachten derzeit fasziniert, wie sich Weißkopfsaki Riane rührend um ein Goldkopflöwenäffchen-Baby kümmert, um die eigentliche Mutter zu entlasten.

Stuttgart - Da stimmt doch was nicht: Bei einem Besuch in der Stuttgarter Wilhelma kann man derzeit Zeuge einer ungewöhnlichen Beziehung werden: In leuchtendem Orange ragt der Schopf eines Goldkopflöwenäffchen-Babys aus dem schwarzgrauen Rückenfell eines Weißkopfsakis. Hat sich das kleine Äffchen etwa verirrt? Oder hat die viel größere Äffin sogar das Baby seiner Mutter geraubt?

Doch das Gegenteil ist der Fall: Regelmäßig trägt Saki Riane eines der beiden im Mai geborenen Goldköpfchen umher, während deren eigentliche Mutter Kamya sich um den anderen Zwilling kümmert. Spätestens wenn Essenszeit ist, gibt Riane das Baby bereitwillig zum Säugen an Kamya zurück. Geradezu rührend unterstützt sie die sonst mit Zwillingen überlastete „alleinerziehende“ Mama.

Das Verhalten der Äffin fasziniert auch Experten

Das beeindruckt auch Experten. „Mithilfe beim Tragen von Jungtieren innerhalb einer Familie ist bei vielen Krallenaffen die Regel“, sagt Marianne Holtkötter, Affen-Kuratorin der Wilhelma, „aber dass nicht verwandte Affen scheinbar ohne eigenen Nutzen bei der Aufzucht helfen, ist außergewöhnlich.“ Zumal es ein ungleiches Paar ist, denn Weißkopfsakis sind etwa dreimal so groß wie Goldkopflöwenäffchen.

„Manche Primatenforscher sehen hier vielleicht ein Beispiel für Altruismus bei Tieren, also für eine in diesem Fall sogar artübergreifende Hilfe, die dem Helfer keinen erkennbaren Vorteil bietet“, sagt Holtkötter. Die Experten wollen jedoch noch genauer prüfen, wie sich das ungewöhnliche Verhalten entwickelt hat. Riane darf als Tochter des Saki-Zuchtpaares der Wilhelma zur Vermeidung von Inzucht keine eigenen Kinder bekommen. Mütterliche Fürsorge ist aber offenbar trotzdem Bestandteil ihres angeborenen Verhaltens.

Tragisch: Der Vater der Goldkopflöwenäffchen-Zwillinge verstarb plötzlich

Dabei verstanden sich die beiden unterschiedlichen Affen Riane und Kamya anfangs gar nicht. Kamya kam als neue Partnerin für Goldkopflöwenäffchen Nuno nach Stuttgart, weil dessen Partnerin verstorben war. Zunächst wurde Kamya jedoch von den Sakis, mit denen sie sich das Gehege teilten, schikaniert und gejagt. Auch Riane mischte dabei ordentlich mit. Erst nach einer Weile gewöhnten sich die unterschiedlichen Affen-Arten aneinander.

Mit der Geburt der Zwillinge erwärmte sich Nuno für seine Partnerin. Rührend kümmerte er sich ab da um sie und den Nachwuchs. Wie bei Krallenaffen üblich, entlastete er die junge Mutter, indem er die Zwillinge oft huckepack trug.

Im Juni beobachteten die Tierpfleger erstmals, dass Riane eines der Goldkopflöwenäffchen trug. Dann der Schicksalsschlag: Als Nuno Mitte Juli völlig unerwartet an einer Nierenentzündung starb, musste Kamya plötzlich allein mit ihren Zwillingen zurechtkommen. Ab dann sprang Riane immer regelmäßiger als Tagesmutter ein – und zwar immer für dasselbe Jungtier.