Ilias Mountzidis, Amir Ghidy und Richie (von links) haben sich nach mehr als zehn Jahren wiedergesehen. Sie kennen sich durch die Nachmittagsbetreuung in der Körschtalschule. Foto: Sophia Wolf

Der Kongolese Richie ist für viele überraschend nach Stuttgart zurückgekehrt, seine alten Freunde sind darüber ebenso froh wie er selbst. Der heute 24-Jährige besuchte vor zehn Jahren die siebte Klasse der Körschtalschule.

Plieningen - Die Plieninger haben oft über den Kongolesen Richie geredet, der vor mehr als zehn Jahren spurlos verschwand. „Es gab verschiedene Spekulationen, was mit ihm passiert sein könnte“, erinnert sich sein alter Freund Amir Ghidy. 1990 in Kongo geboren, war Richie mit seiner Tante im Alter von drei Jahren nach Deutschland gekommen. Elf Jahre lebte er in Plieningen und besuchte dort zuletzt die siebte Klasse der Grund- und Hauptschule, die heutige Körschtalschule. Nach den Sommerferien tauchte er einfach nicht mehr auf. Und nun plötzlich ist Richie – der nur mit Vornamen in die Zeitung will – wieder in der Stadt. Bei einem Fußballprobetraining traf ein ehemaliger Mitschüler Richie wieder – beide konnten es nicht fassen, sich nach so langer Zeit wiederzusehen. Der heute 24-Jährige absolviert zurzeit ein freiwilliges soziales Jahr als Altenpfleger in Bad Cannstatt.

Über ein Foto auf Facebook verbreitete sich die Nachricht, dass der heute 24-Jährige wieder in Stuttgart wohnt, wie ein Lauffeuer. Drei Tage nach dem Spiel traf Richie seine ehemalige Plieninger Jungsclique wieder – nach Jahren der Ungewissheit. „Wir haben uns erst einmal sehr gefreut, dass Richie überhaupt lebend und gesund hier ist. Das war das Allerwichtigste“, sagt Amir Ghidy, der mit Richie früher die Nachmittagsbetreuung besuchte. „Mit einem Wiedersehen hätte niemand gerechnet“, erinnert sich Ghidy. Auch Richie nicht, der Stuttgart vermisst hat.

In den Sommerferien 2004 war er in den Kongo gereist. Aus familiären Gründen und aufgrund von Problemen mit seinem Pass habe er jedoch nicht nach Deutschland zurückkehren können, erzählt er. Seiner Mimik ist deutlich anzusehen, wie sehr ihn in die Vergangenheit bewegt. Insgesamt sieben Jahre lebte er in Kongo, sein Alltag sei geprägt gewesen vom Kampf ums Überleben, sagt er. Das Einzige, was ihn von der Angst, auf der Straße zu landen, abgelenkt habe, sei das Fußballspielen gewesen. Dies war letztlich auch das Ticket raus aus dem Kongo: Als ihn ein Talentscout entdeckt habe, sei er im August 2011 nach Istanbul gereist, wo er an Testspielen für die dritte Liga teilgenommen habe. Doch wegen einer verschleppten Verletzung sei er nicht genommen worden. Um nicht wieder in die Hoffnungslosigkeit zurückkehren zu müssen, sei er in der Nacht über die Grenze nach Griechenland geflohen. „Zurück nach Europa, das war für mich das große Ziel“, sagt er. Drei Jahre habe er illegal in Athen gelebt. „Ich habe versucht, legal nach Deutschland zurückzukommen“, berichtet der 24-Jährige. Sein Antrag auf ein Visum sei allerdings mehrmals abgelehnt worden. Außerdem habe er Konflikte mit der Polizei gehabt, da er keine Papiere besaß. Deshalb musste er sich zeitweise verstecken. Am Ende sei er inhaftiert worden, erzählt der junge Kongolese. „Ich weiß nicht wie, aber der Stempel ist dann doch irgendwie auf das Visum gekommen“, sagt er und lacht. Die Bedingung für das einjährige Visum sei das freiwillige soziale Jahr in Bad Cannstatt gewesen. Nebenbei holt Richie jetzt seinen Hauptschulabschluss nach. Damit möchte er sich aber nicht zufriedengeben. „Ein Realschulabschluss ist das Mindeste für mich“, sagt er.

Momentan fühlt sich der 24-Jährige sehr wohl in der Stadt, hier sei es sehr ruhig, sagt er. „Davor war alles ein verrücktes Chaos, man wusste nicht, was in den nächsten zehn Minuten passiert.“ Am Ende des Jahres muss die Behörde entscheiden, wie es für Richie weitergeht. Ein sorgenvoller Ausdruck verdrängt die kurzweilige Entspannung, denn Richie möchte endlich ankommen, nach seinem langem Weg zurück nach Deutschland. Und auch seine alten Plieninger Freunde wünschen sich, dass Richie nicht plötzlich wieder verschwindet.