Am Backnanger Stadtrand entsteht eine etwa eineinhalb Meter tiefe Flutmulde. Foto: Gottfried Stoppel

Umweltschützer kritisieren die Stadt Backnang, die beim Freibad eine Retentionsfläche für Hochwasser ausbaggern lässt. Mit dem Projekt will die Kommune einen Fehler beim Bau des Annonay-Gartens ausbügeln.

Backnang - Die Stadt Backnang will mit einem Hochwasserrückhaltebecken, das jetzt beim Freibad angelegt wird, einen Fehler ausbügeln, der beim Bau des Annonay-Gartens in der Stadtmitte entstanden ist. Bis Ende dieses Jahres soll die Retentionsfläche in den Oberen Toswiesen fertiggestellt sein, die rund 3000 Kubikmeter Wasser aufnehmen kann.

Oberbürgermeister Frank Nopper hatte im Frühjahr zerknirscht zugegeben, dass die Stadt beim Annonay-Garten gegen das Gesetz verstoßen habe, denn die Anlage liegt teilweise im Hochwasserschutzgebiet. Mit dem Bauprojekt in der Toswiesen werde nun sogar weit mehr Rückhalteraum für Hochwasser geschaffen als im Bereich Annonay-Garten verloren gegangen sei, so die Auffassung der Stadtverwaltung und des Gemeinderats. Beim Bau des Parks in der Stadtmitte gehe es lediglich um rund 300 Kubikmeter. Der deutlich größere Wasserrückhalteraum am Murrufer ist in den Augen der kommunalen Planer deshalb auch ein Zukunftsprojekt, eine Art Hochwasserschutz auf Vorrat.

„Rechte der Umweltverbände wurden verletzt“

3000 Kubikmeter minus 300 Kubikmeter: es blieben also rund 2700 für künftige Bauprojekte in der hochwassergefährdeten Backnanger Innenstadt, so die Rechnung der Stadt. Der Erste Bürgermeister Siegfried Janocha bezeichnet das kürzlich vom Gemeinderat bewilligte sogenannte Hochwasserschutzregister, in das die Toswiesen aufgenommen werden, als „ein Konto, wie man es vom Ökokonto beim Naturschutz kennt“. Jedes weitere Bauprojekt im Hochwasserschutzgebiet reduziere den Kontostand. Ohne den Retentionsraum in den Toswiesen sei es kaum mehr möglich, in weiten Teilen der City überhaupt zu bauen. Private Bauherren könnten dieses „städtische Guthaben“ des Registers nutzen, sie müssten laut Aussage des Leiters des Baurechtsamts der Stadt, Helmut Wagner, etwa 60 Euro je Kubikmeter bezahlen.

Alles in Butter also? Ist der Fehler mit der Fertigstellung der Retentionsfläche tatsächlich behoben? Die Kommunalpolitiker sind zufrieden. Der lokale Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) nicht. Die Naturschützer, sagt der BUND-Vorsitzender Andreas Brunold, seien nicht in die Planungen eingebunden worden. „Die Beteiligungsrechte der Umweltverbände wurden unter Missachtung des Bundes- und Landesnaturschutzgesetztes außer Kraft gesetzt und verletzt.“ Brunold fordert deshalb eine Baueinstellung.

In Sachen Hochwasserschutz kritisiert Andreas Brunold die Stadt Backnang seit vielen Jahren. In einer Petition des BUND, die der Petitionsausschuss noch bewerten muss, heißt es, die geplante Flutmulde mit den rund 3000 Kubikmetern Rückhalteraum sei „faktisch bereits heute durch verschiedene von der Stadt Backnang zu verantwortende rechtswidrige Überbauungen beziehungsweise Auffüllungen von Überschwemmungsgebieten aufgebraucht.“

Das Petitionsverfahren ist ein Stillhalteabkommen

Bei einem Wohn- und Geschäftshaus, das direkt am Murrufer gebaut worden ist, steht das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart auf der Seite des BUND. Dieses Gebäude, so das RP, hätte von der Stadt nicht genehmigt werden dürfen ohne andernorts einen Ausgleich für die verloren gegangene Retentionsfläche zu schaffen. Die Stadt Backnang indes lässt sich nicht beirren und hat bereits mehrmals sinngemäß erklärt: Die Kommune habe ihre Rechtsauffassung, und das Regierungspräsidium Stuttgart habe eben eine andere. Brunold kritisiert, dass die übergeordneten Behörden, unter anderem das Landratsamt und das RP, „nichts Substanzielles gegen diese Rechtsbeugung unternommen haben“.

Ein Sprecher des Regierungspräsidiums erklärt auf Anfrage, dass das in Gang gesetzte Petitionsverfahren ein Stillhalteabkommen sei. Die Behörden seien aufgerufen, bis zu einer Entscheidung des Petitionsausschusses des Landtags keine weiteren Entscheidung zu treffen. Sollten Brunold und der Backnanger BUND allerdings Recht bekommen, dann indes müsste sich die Stadt wohl bewegen und die eigene Auffassung korrigieren. Was das für das umstrittene Haus direkt an Ufer der Murr bedeuten könnte, bleibt abzuwarten.