Margerita Gritskova als deutscher Kaiser Otto Foto: Pfeiffer

Das Belcanto-Festival „Rossini in Wildbad“ präsentiert mit „Adelaide di Borgogna“ wieder eine Ausgrabung, inszeniert von Antonio Petris. Es ist die Gewissenhaftigkeit der Personenführung, die hier zählt, und natürlich die Lust der Darsteller, sich darauf einzulassen.

Bad Wildbad - In des Gegners Falle geraten, ihn dennoch besiegen und dann auch noch ziehen lassen: Ist das heldenhaft, großmütig oder fahrlässiger Leichtsinn? – In Gioachino Rossinis Oper „Adelaide di Borgogna“ ist es vor allem ein zutiefst menschlicher Zug. Das dürfte einer der Gründe sein, weshalb diese Oper allgemein in Vergessenheit geraten ist. Und so ist sie in den besten Händen der Spezialisten des Belcanto-Festivals „Rossini in Wildbad“, diesem Werk wieder die ihm angemessene Bedeutung zu verleihen.

Vordergründig wird ein großes Rad gedreht: Adelaide ist die Herrscherin über Italien, doch sie ist in der Gewalt des Usurpators Berengario, der ihren Thron übernehmen will. Deshalb setzt sie auf die Hilfe des deutschen Kaisers Otto, der das eingangs erwähnte Wechselbad der Gefühle durchmacht. Denn dieser Otto sucht vor allem das Liebesglück mit Adelaide, bekommt es auch, und Italien hat so seine frühmittelalterliche Herrscherin wieder zurück, offensichtlich ist auch sie eine sehr gütige. Für die Darstellung dieser Geschichte ist kein großer Pomp vonnöten, den könnte dieses Festival, inzwischen in seinem 26. Jahr, auch gar nicht bieten, in der Trinkhalle als Aufführungsort wäre dazu gar kein Platz vorhanden.

Es ist die Gewissenhaftigkeit der Personenführung, die hier zählt, und natürlich die Lust der Darsteller, sich darauf einzulassen. Ein paar weiße Stühle und Tische, einige Chormitglieder und Solisten in Militäruniform, dazu im Hintergrund dezente Video-Einblendungen, das war es schon, was Regisseur Antonio Petris an Äußerlichkeiten zu bieten hat. In der Personenführung hat er sich vor allem vom musikalischen Gestus inspirieren lassen. Das kann Margarita Gritskova als Kaiser Otto besonders gut. Ganz selbstverständlich kann sie Herrscher-Gesten, macht diese fast schon nachlässig.

Stimmlich ist die Mezzosopranistin eine Urgewalt, sprengt dabei die Konventionen des Rossini-Repertoires. In dieser Hosenrolle realisiert sie gut den Spagat des mächtigen, gleichzeitig gutmütigen Herrschers, da sie ihre frauliche Gestalt nicht verbirgt. Ekaterina Sadovnikova als Adelaide ist lyrischer veranlagt. Lasziv im Bett sich räkelnd, freut sie sich mit schmachtender Stimme auf ihren Retter Otto. Baurzhan Anderzhanov ist als Berengario mehr ein Puppenstuben-Bösewicht. Gheorghe Vlad als seinem Sohn fehlt es an dramatischer Durchdringung seines Parts.

Luciano Acocella leitet den Camerata Bach Chor Posen und die Virtuosi Brunenses, beide Hausnummern in Wildbad, mit viel Ruhe und Übersicht. Schon in der Ouvertüre verbreiten die Musiker viel Lust auf das Kommende, aufmerksam begleiten sie die nachfolgenden Wechselbäder der Gefühle. Adelaide etwa zu Beginn des zweiten Aktes: Sie muss zunächst die Niederlage ihres Retters verarbeiten, was der Chor ausgiebig feiert, um wenig später doch noch zu erfahren, dass er obsiegt. Hier sind die Musiker mit all ihren Orchesterfarben bei ihr. Diese Oper wäre nicht die erste Wildbader Ausgrabung, die ihren Weg ins Repertoire findet.

Weitere Aufführung an diesem Freitag um 19.40 Uhr. Karten unter 0 70 81 / 1 02 84