Unerwarteter Geldsegen für Rom: Laut einer neuen Studie der Universität Rom soll das außerordentliche Heilige Jahr elf Milliarden Euro in die leeren Kassen von Italiens Hauptstadt spülen.

Rom - „Dieses Heilige Jahr ist ein Segen für uns!“, frohlockt Marco Causi. „Es wird wie das Himmelsbrot Manna für uns sein – eine Hoffnung für unsere finanziell angeschlagene Stadt.“ Roms Vize-Bürgermeister freut sich – und dazu hat er auch allen Grund: Nach dem Dauerlamento über die zum Teil katastrophalen Zustände in Rom soll die Stadt nun ein Geldregen erwarten.

Diesen sehen Wirtschaftswissenschaftler der römischen Universität La Sapenza mit dem von Papst Franziskus ausgerufenen außerordentlichen Heiligen Jahr kommen, das am 8. Dezember beginnen wird. Laut ihren Untersuchungen wird das Heilige Jahr innerhalb der nächsten fünf Jahre etwa elf Milliarden Euro nach Rom bringen. Geld, das die Pilger und Touristen in der Stadt etwa für Übernachtungen und Essen ausgeben werden, aber auch durch zusätzliche Arbeitsplätze.

Der Studie zufolge muss Rom im Heiligen Jahr 2015/2016 mit ungefähr 30 Millionen Besuchern rechnen – fünf Millionen mehr, als im letzten Heiligen Jahr nach Rom strömten, das Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 ausgerufen hatte. Die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ hält das für realistisch: Die Flugpreise seien innerhalb der vergangenen 15 Jahre stark gesunken, zudem würde das argentinische Kirchenoberhaupt viele Pilgern aus Lateinamerika anziehen. Auch wenn andere Experten die Zahl als zu hoch einschätzen: Bereits 20 Millionen Besucher würden mehr Geld in die Stadt einbringen als sonst. In normalen Jahren kommen nur etwa fünf Millionen Touristen nach Rom.

4300 bis 5300 neue Arbeitsplätze könnte das Jubeljahr bringen

Die Besucher, so die Experten der Universität Rom, werden dafür sorgen, dass das städtische Bruttosozialprodukt um mindestens 2,4 Prozent ansteigen wird. Ein Teil des Geldes, das sie in der Stadt ausgeben werden, wird als Tourismussteuer in die chronisch leeren städtischen Kassen fließen. Zudem könnten zwischen 4300 und 5300 neue Arbeitsplätze durch die Veranstaltung entstehen.

Auch der Staat könnte von dem Jubeljahr profitieren: Das nationale Bruttoinlandsprodukt soll um rund 0,7 Prozentpunkte steigen. So könnte das von Franziskus ausgerufene „Jubiläum der Barmherzigkeit“ paradoxerweise zum profitabelsten aller Heiligen Jahre werden. Doch zunächst einmal wird Franziskus’ Jubeljahr Rom teuer zu stehen kommen. Den erwarteten elf Milliarden Euro Einnahmen stehen jetzt schon städtische Ausgaben in Höhe von rund 600 Millionen Euro gegenüber. Das meiste Geld wird aus staatlichen Sondertöpfen zur Verfügung gestellt.

Geht es nach den römischen Wirtschaftsexperten, werden diese Kosten jedoch voll und ganz amortisiert. An Besuchern sowie an Einnahmen für die Stadt soll das außerordentliche Heilige Jahr sogar die Weltausstellung in Mailand übertreffen. Doch bis die Feierlichkeiten im Dezember beginnen, muss die verschmutzte Innenstadt Roms erst einmal herausgeputzt werden. Eine Herkulesaufgabe angesichts der nicht effizient arbeitenden Müllabfuhr, der mangelhaft funktionierenden öffentlichen Verkehrsmittel und des schlechten Zustands der Straßen, welche auf die Ankunft von Millionen von Pilgern derzeit noch nicht vorbereitet sind. Seit Monaten berichten italienische und auch internationale Medien über zum Teil katastrophale Zustände in Rom. Der „New York Times“ zufolge ist Italiens Hauptstadt eine der „schmutzigsten ganz Europas“. Am Montag stürzten in einem U-Bahn-Tunnel Teile einer Zwischendecke auf einen fahrenden Zug und lösten so ein Verkehrschaos aus.

Roms Straßen sind in einem schrecklichen Zustand

Roms Müllhalde, die größte Europas, ist seit mindestens fünf Jahren voll. Und trotzdem werden sämtliche Abfälle auf dem Gebiet von Malagrotta auch weiterhin abgeladen. Oder aber sie bleiben auf Roms Straßen. Nicht immer, aber häufig kommt die Müllabfuhr zu spät oder gar nicht – dann stinkt es nicht nur zum Himmel, der Abfall weht auch mit dem Wind über die Straßen. Diese müssten fast alle dringend repariert werden. Eine Fahrt mit dem Taxi oder mit dem Linienbus über die Piazza Venezia, im Herzen der Altstadt, ist ein erschreckendes Beispiel für den aktuellen Straßenzustand. Das traditionelle Kopfsteinpflaster ist so uneben und voller Löcher, dass man sich, so die „New York Times“, „wie bei einer Fahrt über einen Kartoffelacker fühlt“.

Damit nicht genug: Ein Ende vergangenen Jahres aufgedeckter Korruptionsskandal enthüllte, dass hohe städtische Beamte, die lokale Mafia und andere Kriminelle jahrelang städtische Kassen für undurchsichtige Sozialprojekte plünderten. Bürgermeister Ignazio Marino kämpft seither nicht nur für bessere Infrastrukturen, sondern auch für ein besseres Image seiner Stadt.

Bei den Vorbereitungsarbeiten zu dem Heiligen Jahr erhält Marino vom Staat zwar finanzielle Unterstützung. Nach Aussagen von Vize-Bürgermeister Marco Causi gegenüber der „Repubblica“ sind die benötigten 600 Millionen aber noch nicht beisammen. Derzeit stünden nur 50 Millionen Euro zur Verfügung. Damit sollen die Straßen instand gehalten werden. Zur weiteren Entwicklung zeigt sich Causi pessimistisch: „Ich fürchte, dass wir nicht mehr als 150 Millionen zur Verfügung haben werden, sollten meine Verhandlungen mit der Regierung scheitern.“ Das Geld wird indes dringend benötigt: Noch ist nicht ausgeschlossen, dass die maroden städtischen Verkehrsbetriebe, die mit etwa 1,4 Milliarden Euro verschuldet sind, noch vor dem 8. Dezember pleitegehen.