Ein exklusiver Blick in einen der noch nicht für den Verkehr zugelassenen neuen S-Bahn-Züge im Werk Plochingen: Drahtloses Internet gibt es in den neuen Zügen nicht. Foto: Leif Piechowski

Die 83 neuen S-Bahn-Züge, die spätestens ab Juli durch die Region rollen sollen, verfügen über viele Annehmlichkeiten – aber nicht über drahtlosen Internetanschluss. Sehr zum Bedauern der größten Fraktion in der Regionalversammlung.

Stuttgart - Die Bahn baut ihre ICE-Flotte zu rollenden Hotspots um. In 69 von 255 Zügen und auf rund 1700 von 5200 Kilometern ICE-Strecke können die Fahrgäste bereits drahtlos Internet über W-Lan empfangen – unabhängig vom Netzbetreiber. Der Bahnpartner Telekom stellt die Infrastruktur zur Verfügung und verspricht, dass dies bei Geschwindigkeiten von bis zu 300 Kilometern pro Stunde funktioniert. Die Einwahl kostet Gebühren, aber der Fahrgast kann die Reisezeit noch besser nutzen – beispielsweise zur Arbeit mit dem tragbaren Computer. In Baden-Württemberg gibt es das Angebot auf den Strecken Mannheim–Freiburg und Frankfurt–Stuttgart–München.

Angaben darüber, wie viel Geld das Ganze kostet, macht die Bahn nicht. Allerdings so viel, dass sie nicht gleich im Nahverkehr weitermacht. „Das wird aber untersucht, falls es künftig Nachfrage etwa im Rahmen von Ausschreibungen geben sollte“, sagt ein Bahnsprecher. Zurzeit gebe es die nicht.

Jan Tielesch, CDU-Regionalrat aus Göppingen und Pressesprecher der Fraktion findet, dass ein solcher Service auch der Stuttgarter S-Bahn gut zu Gesicht stünde. „Doch wenn ich vom Flughafen in die Innenstadt fahre, habe ich schon bei Rohr keinen Empfang mehr“, berichtet Tielesch. Quasi mitten im städtischen Gebiet, das könne in Zeiten explosionsartiger Vermehrung von internetfähigen Handys und zweistelliger Zuwachsraten sogar der über 65-Jährigen auf Facebook kein Modell für die Zukunft sein.

Deutschlandweit einzigartiges Vorhaben

Tielesch und mit ihm die CDU fordern, dass im gesamten S-Bahn-Netz Mobilfunk empfangbar werden muss. Dazu gehören Sendemasten, aber auch Signalverstärker auf dem Zug, die das Signal einfangen und in den Innenraum weiterleiten. Zweitens sollen die Züge mittelfristig mit W-Lan ausgerüstet werden, das idealerweise sogar umsonst ist. Tielesch: „Das wäre Wirtschaftsförderung, Tourismusförderung, und außerdem wünschen wir uns ja, dass möglichst viele Leute in der S-Bahn fahren.“

Dem 34-Jährigen ist klar, dass das eine Stange Geld kostet, und er betont, „dass das nicht die Region finanziell lösen kann“. Aber er will, dass der Verband mit den Mobilfunk-Netzbetreibern und der Bahn nach Lösungen sucht – und so hat es auch der regionale Verkehrsausschuss beschlossen.

In Deutschland wäre ein solches Vorhaben einzigartig. Bisher hat die Verkehrsgesellschaft Unna versuchsweise fünf Busse mit W-Lan auf der Strecke Dortmund–Hamm, und an der Elbe bedienen die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein zwei Linien mit 25 internetfähigen Bussen. Ansonsten werben noch das Unternehmen MeinFernbus und die Schweizer Postbusse mit W-Lan-Fahrzeugen. In Nahverkehrszügen gibt es ähnliche Errungenschaften bisher nicht.

„Irgendwann muss man mal akzeptieren, dass die Politik das Thema Mobilfunk in private Hände gegeben hat“

Vielleicht hat Infrastrukturdirektor Jürgen Wurmthaler einen ersten Antrag der CDU deshalb ein bisschen auf die leichte Schulter genommen. Ohne Zahlen zu nennen, verwies Wurmthaler auf immense Kosten für die Verstärker, „nochmals höhere Kosten“ für das W-Lan und wollte das Thema damit zu den Akten legen. Stattdessen könne man überlegen, ob man die 83 Haltestellen im S-Bahn-Netz zu Hotspots mache, dies wäre schon für rund 500.000 Euro Anschaffungskosten und etwa 60.000 Euro jährlicher Betriebskosten möglich. Das war dem Ausschuss zu wenig, schließlich wartet die Region gerade auf die neue S-Bahn-Flotte und bekommt die nächsten Züge – die dann quasi serienmäßig internetfähig sein könnten – nicht vor 2028. „An den Haltestellen packt keiner seiner Equipment aus“, sagt etwa Eva Mannhardt (Grüne). Also muss der Verband das Thema weiter beackern.

Kein Problem, sagt Jürgen Wurmthaler. Der Verkehrsdirektor verweist aber darauf, dass es ein größeres Unterfangen sei, das „sicher nicht so schnell zu erreichen ist“. Sprich: Jahre dauern könnte. Und er lässt durchblicken, dass er dieses Thema nicht unbedingt für eins der öffentlichen Hand hält: „Irgendwann muss man mal akzeptieren, dass die Politik das Thema Mobilfunk in private Hände gegeben hat.“ Auch VVS-Geschäftsführer Horst Stammler ist vorsichtig: „Dass Internet auch im öffentlichen Nahverkehr die Zukunft ist, ist klar“, sagt Stammler, „aber man braucht trotzdem auch jemand, der’s bezahlt.“ Der Nahverkehrsexperte mit Überblick über ganz Deutschland legt Wert darauf, dass die Frage des Gratis-Angebots am Ende der Arbeitsliste steht: „Für die Nutzung von Handys und Internet in der S-Bahn sind nicht die Gebühren das Hindernis, da die meisten sowieso eine Flatrate haben, sondern die Technik.“