Kommt nach Stuttgart: Roger McGuinn Foto: promo

Er gilt als Wegbereiter des Folkrock: Roger McGuinn hat uns als Frontmann der Byrds beigebracht, dass man zu Bob Dylans Liedern auch tanzen kann. Im Interview verrät der 72-Jährige außerdem, warum er sich bei Tourneen wie in den Flitterwochen fühlt.

Mr. McGuinn, Bruce Springsteen hat kürzlich gesagt: „Roger McGuinn hat den Folkrock erfunden.“ Hat er recht?
Darüber wird ja schon seit langem gestritten. Ich selbst würde niemals für mich in Anspruch nehmen, der Erfinder von Folkrock zu sein. Diese Musik hat sich irgendwie entwickelt. Tatsächlich würde ich behaupten, dass die Beatles Folkrock erfunden haben. Die hießen ja vorher The Quarry Men und waren eine Skiffleband. Viele typische Folkelemente haben sie später als die Beatles weiterverwendet. Man könnte sogar sagen, dass die Beatles gleich auch noch den Countryrock erfunden haben. Man muss sich bloß mal ihre Version der Country-Nummer „Act Naturally“ anhören.
Trotzdem behaupten wie Springsteen viele, dass der Folkrock im Mai 1965 geboren wurde, als die Byrds ihre Version von Bob Dylans „Mr. Tambourine Man“ veröffentlichten. Wie sind Sie damals zu dem Song gekommen?
Unser Manager Jim Dickson hatte irgendwie mitbekommen, dass es Probleme bei der neuen Platte von Bob Dylan gab, dass Dylan diesen tollen neuen Song nicht auf seiner Platte veröffentlichen könnte, weil jemand bei den Aufnahmen falsch gesungen habe. Dickson bekam eine Kopie der Demoaufnahme und brachte sie uns. Alle in der Band haben sich an der Nummer versucht. Ich habe mich bemüht, wie eine Mischung aus Bob Dylan und John Lennon zu klingen. Das gefiel allen am besten. Deshalb durfte ich am Ende „Mr. Tambourine“ singen.
Und wie fand Bob Dylan Ihre Version?
Er besuchte uns im Studio, als wir den Song gerade probten. Und als er uns hörte, sagte er: „Wow, zu dem Song kann man ja tanzen.“ Das war irgendwie eine Offenbarung für ihn.
Ihre Version von „Mr. Tambourine Man“ ist heute berühmter als die von Dylan selbst.
Trotzdem liebe ich Dylans Original. Vor allem die Fassung, die er 1964 beim Newport Folk Festival gespielt hat. Die kann man sich als Video auf You Tube anschauen. Dylans Melodie unterscheidet sich ziemlich von unserer. Wir haben den Song ein bisschen geglättet, ihn gekürzt, damit er im Radio gespielt werden kann, und mit einem Beat unterlegt, um ihn in Rock’n’Roll zu verwandeln.
Die Byrds haben auch eine großartige Version von Pete Seegers „Turn! Turn! Turn!“ aufgenommen. Haben Sie jemals versucht, einen Song nachzuspielen, und sind dabei gescheitert?
Mir fällt jetzt keiner ein. Ich kann allerdings nicht versprechen, dass wir immer gut waren, wenn wir einen Song gecovert haben.
„Mr. Tambourine Man“ war auch im Repertoire der Rock Bottom Remainders – einer Band, in der Sie zusammen mit Schriftstellern wie James McBride oder Stephen King Musik gemacht haben. Taugt Stephen King eigentlich als Gitarrist?
Er hat drei, vier Akkorde drauf und kann ganz gut schrammeln. Er ist auch als Sänger gar nicht so übel. Das hat immer großen Spaß gemacht mit diesen ausgezeichneten Schriftstellern, die eine Rock’n’Roll-Band sein wollten, Musik zu machen.
Mit Bob Dylan hatten Sie auch bei dem Song „Ballad Of Easy Rider“ zusammengearbeitet. Haben Sie noch die Serviette, auf die Dylan die ersten Worte des Lieds gekritzelt hatte, das Sie dann zu Ende führten?
Nein, die Serviette habe ich leider nicht mehr, ich weiß auch nicht, was mit ihr passiert ist. Auch die Brille, die ich damals immer getragen habe, ist verschwunden.
Dylan gab die Serviette damals weiter und sagte: „Geben Sie die McGuinn, er wird wissen, was zu tun ist.“ War es leicht, aus diesen Zeilen ein Lied zu machen?
Ja, ich glaube, ich habe nicht länger als zehn Minuten gebraucht, um einen Song draus zu machen. Als ich den zweiten Vers fertig hatte, habe ich ihn Dennis Hopper vorgespielt, der ja bei dem Film „Easy Rider“ Regie führte. Er musste ein bisschen drüber nachdenken und sagte dann: „Oh, Mann, das ist ja wirklich tiefgründig.“
„Ballad Of Easy Rider” handelt vom Zerplatzen der Hippie-Träume am Ende der 1960er Jahre. Trauern Sie dem Zeitgeist von damals hinterher?
Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir uns in den 1960ern gefühlt haben, wie wir glaubten, die Welt verändern, sie in einen Himmel auf Erden verwandeln zu können.
Aber inzwischen habe ich mit diesem Flower-Power-Gefühl abgeschlossen.
Fällt es Ihnen immer so leicht, einen Song zu schreiben, wie bei „Ballad Of Easy Rider“?
Nein, manchmal geht es sehr schnell, manchmal brauche ich Ewigkeiten.
Für welches Lied haben Sie bisher am längsten gebraucht?
Es gibt da einen Song, den meine Frau und ich vor 20 Jahren begonnen haben und der ist immer noch nicht fertig. Er heißt „Catching Rainbows“.
Sie sind seit den späten 1950ern Profi. War es damals einfacher, Karriere als Musiker zu machen?
Na ja, es gab weniger Wettbewerb. Es gab nur ein paar Folksänger und wenige Rock’n’Roll-Bands.
Und wie hat sich Ihrer Meinung nach das Musikgeschäft seither weiterentwickelt?
Die Musikindustrie ist auf jeden Fall größer und größer geworden. Aber das Schöne ist heute, dass die Musikindustrie inzwischen eigentlich überflüssig ist. Künstler können inzwischen daheim selbst ihre Musik aufnehmen und veröffentlichen.
Wollten Sie eigentlich immer schon ein Musiker werden?
Nein, ich habe mich als Kind vor allem für Technik interessiert. Doch dann, als ich 13 war, hörte ich zum ersten Mal Elvis Presleys „Heartbreak Hotel“. Der Song hat mein Leben verändert.
- Inzwischen sind Sie 72 Jahre alt. Ist das Touren da nicht ziemlich anstrengend?
Touren ist nur dann anstrengend, wenn man mit einer großen Band unterwegs ist. Dann braucht man riesige Busse und Trucks, in denen es Platz für das ganze Equipment und für Duschen gibt. Mit einer Band auf Tour zu gehen kann ein ziemlicher Albtraum sein. Doch jetzt toure ich nicht zusammen mit einer Band, sondern mit meiner Ehefrau Camilla. Und das fühlt sich eher wie Flitterwochen an.

Am 22. September, 20 Uhr, gibt es im Theaterhaus "An Evening with Roger McGuinn". Karten unter 4 02 07 20