Meister des Popsurrealismus: Robyn Hitchcock Foto: Laura Partrain

Er singt von Verwesung und Verlust, erzählt von Insekten und Reptilinen: Der große britische Popsurrealist Robyn Hitchcock ist in der Manufaktur in Schorndorf aufgetreten.

Schorndorf - „Lass mich bitte erst noch meinen Tee zu mir nehmen!“ Als der Konzertveranstalter ihn auf die Bühne holen möchte, bittet Robyn Hitchcock höflichst um ein bisschen Geduld.

Als er ein paar Minuten später mit seiner Tasse auf die Bühne kommt, sich die Gitarre umhängt, ist er dafür aber gleich mittendrin in seinem schrulligen Popkosmos: „Mexican Gods“ heißt der Song, mit dem er das Konzert eröffnet – eine hämische Abrechnung mit all jenen, die sich unsterblich glauben, die bald aber schon wie uralte, einst hochverehrte mexikanische Götterstatuen zerbröckeln, zerbrechen, zerbersten werden.

Robyn Hitchchock selbst kann so etwas nicht passieren. Bisher wurde unverständlicherweise versäumt, dem großen Surrealisten der britischen Popmusik ein Denkmal zu errichten.

Er wird nie den Erfolg haben, der ihm zusteht

Es fällt immer noch schwer, sich damit abzufinden, dass Robyn Hitchcock nie den Erfolg haben wird, der ihm zusteht. Nach gefühlten 86 Alben mit den Soft Boys, den Egyptians und Venus 3, die fast alle ziemlich außergewöhnlich sind, ist dieser britische Songwriter immer noch ein Geheimtipp und ein Unbekannter, während die, die er inspiriert hat, längst Superstars sind – R.E.M. zum Beispiel.

Vielleicht weil er lieber von Vergänglichkeit und Verfall, von Fröschen und Eidechsen, von Fliegen und Wespen erzählt, anstatt die üblichen Boy-meets-Girl-Storys durchzukauen.

Hitchcock, der dem Lokführerstreik trotzend mit dem Zug nach Schorndorf gereist ist, macht sich die Mühe, zwischen die Liedern Deutsch zu sprechen („Sprudelwasser, bitte!“) und spielt sich kreuz und quer durch sein sperrig-schönes Œuvre.

Meister des Weirdo-Pop

Der 62-Jährige ist ein Meister des Weirdo-Pop, der sich auf seinen Platten von Syd Barrett neopsychedelische Paranoia, von den Byrds Jangle-Gitarren und von den Beatles Melodien borgt, um diese mit kuriosen Einfällen zu garnieren. Bei der Soloshow in Schorndorf reicht ihm aber eine akustische Gitarre – und ab und zu die Unterstützung der australischen Sängerin Emma Swift –, um in seine wundersam verschnörkelten bizarren Songwelten zu entführen.

Trotzdem: Konzerte von Robyn Hitchcock sind naturgemäß enttäuschend. Denn in anderthalb Stunden kann er seinem grandiosen Repertoire keinesfalls gerecht werden.

Seine Hits hat er nicht gespielt

Als er am Mittwochabend nach dem Liebeslied „San Francisco Patrol“ von der Bühne geht, darf man durchaus ein bisschen traurig sein, weil er Songs wie „Madonna Of The Wasps“, „Flesh Number One“ oder „He’s A Reptile“ nicht gespielt hat – jene Nummern also, die man am ehesten noch als Hits bezeichnen könnte.

Doch was hätte er an diesem Abend für diese Lieder opfern sollen? Wohl kaum das Schwelgen in der Film-Noir-Impression „Raymond Chandler Evening“ oder das Kratzen an der Unendlichkeit in „Queen Elvis“.

Auch nicht die Lieder, in denen er von Geistern früherer Frauen heimgesucht wird („My Wife And My Dead Wife“), oder von der Polizei in Los Angeles erzählt, die es in verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt („Nietzsche’s Way“). Und schon gar nicht „The Cheese Alarm“ eine enthusiastische Ode auf Roquefort, Brie, Pecorino, Cheddar und Ziegenkäse.