Der LBR iiwa von Kuka ist ein Leichtbauroboter. Die Abkürzung steht für „intelligent industrial work assistant“, also intelligente Arbeitshilfe für die Industrie. Der Roboter ist für die Zusammenarbeit mit Menschen konzipiert – ein Schutzzaun ist nicht mehr erforderlich Foto: Kuka

Till Reuter, Chef des Augsburger Maschinenbaugiganten Kuka, spricht im Interview mit unserer Zeitung über Roboter als Arbeitskollegen, Haushaltshilfen und Optimierer.

Augsburg. - Herr Reuter, schauen Sie gerne nach Japan, wo Roboter bereits Kultstatus haben?
Japan hat in der Vergangenheit viel in die Robotik investiert, vor allem bei den Humanoiden, also Robotern mit menschlichem Antlitz, das ist beeindruckend. Roboter werden zunehmend mobil, sie können sehen und fühlen wie ein Mensch.
Ihre Roboter werden hauptsächlich in der Industrie eingesetzt. Werden sie bald auch menschenähnlich aussehen?
In fünf oder zehn Jahren werden die Industriearbeiter einen mobilen, flexiblen Assistenten haben, die Kameras werden vielleicht wie Augen wirken. Das ist möglich. Notwendig ist das in der Industrie aber nicht.
Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter zurzeit in den modernsten Fabriken aus?
In der Smart Factory wird der Mensch von intelligenten Systemen in seiner Tätigkeit unterstützt. Wir haben den ersten sensitiven Leichtbauroboter entwickelt und sind technologisch führend. Unser Modell LBR iiwa gehört zu einer neuen Robotergeneration. Es ist extrem feinfühlig und kann aufgrund seiner sensitiven Eigenschaften ohne Schutzzaun arbeiten. Wir haben damit die Grundlage für die Mensch-Roboter-Kooperation überhaupt erst geschaffen.
Was heißt das konkret?
Roboter arbeiten bereits heute mit dem Menschen Hand in Hand. Roboter verrichten Tätigkeiten, die für Menschen ergonomisch schwierig oder gefährlich sind. Sie übernehmen auch Aufgaben, die in dieser Präzision und Geschwindigkeit durch Menschen nicht oder nur schwer ausführbar sind. Der Mensch kann sich auf Aufgaben konzentrieren, die seine Kreativität, sein logisches Denken, seine Erfahrungswerte benötigen.
Was bedeutet das für das Arbeitsleben?
Weil die Arbeit physisch weniger anstrengend wird, können ältere Menschen länger in der Produktion bleiben. Mit Robotern können wir also den Fachkräftemangel lindern helfen. Ohne die zunehmende Automatisierung und den stärkeren Einsatz von Robotern wird Deutschland wegen der demografischen Entwicklung an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Aber die Produktion wandert doch weiter ab.
Das muss nicht sein. Roboter helfen uns, Produktion in Deutschland zu halten. Denn sie senken die Produktionskosten, steigern die Qualität und machen die Arbeit effizienter. Ohne sie würden Produktion und Jobs in Billiglohnländer abwandern. Roboter sichern also Arbeitsplätze und vernichten sie nicht. Mit der neuen Robotergeneration können wir Bereiche automatisieren, die sich bisher noch nicht automatisieren ließen.
Sie wollen künftig Roboter für den Haushalt entwickeln und sprechen von der Generation R – R wie Roboter. Wird es so normal sein, mit einem Roboter zu arbeiten wie heutzutage mit einem Computer?
Künftig könnten wir einen Haushaltsroboter haben. Er könnte durch die Wohnung fahren, man könnte ihm etwas diktieren, er könnte in der Küche helfen. Mit beweglichen Armen könnte er Älteren beim Aufstehen helfen oder Alarm melden, wenn sie hingefallen sind. Er könnte sie auch daran erinnern, Medikamente rechtzeitig einzunehmen.
Also ein Roboter als Bezugsperson für Senioren?
Nein, das ist er nicht. Aber er kann dabei helfen, dass ältere Menschen länger in ihrer vertrauten Umgebung leben können. Das ist ein großer Gewinn.
Wie sieht es mit Robotern als Küchenhilfen aus?
Roboter haben bereits so feingliedrige Arme und eine ausgeklügelte Sensorik, dass sie zum Beispiel Spaghetti Carbonara kochen können. Ich könnte zum Beispiel vom Büro über einen Lieferdienst Lebensmittel nach Hause bestellen, die der Roboter empfängt, auspackt und dann zubereitet. Künftig wird es voll automatisierte Küchen geben, in denen Roboterarme bereits integriert sind. In fünf bis zehn Jahren könnte das Standard sein. Schon heute ist einiges realisierbar – aber noch zu teuer.
Wollen das die Verbraucher überhaupt?
Die Frage ist tatsächlich, ob und wie nahe die Verbraucher Technologie an sich heranlassen. Mir persönlich würde ein Küchenroboter gefallen. Aber ich möchte nicht, dass ein Roboter alles von mir weiß.
Kuka gehört bei den Industrierobotern weltweit zu den Marktführern und ist in der Automobilindustrie die Nummer eins. Welche Branchen haben Sie noch im Visier?
Wir werden zum Beispiel weiter in der Logistik investieren. In Zukunft werden sich Verbraucher individuellere Waren wünschen, die sie im Internet selbst konfigurieren – zum Beispiel Schuhe. Damit sie auch schnell geliefert werden, ist eine Produktion in China nicht möglich. Die Produktion muss also wieder vor Ort stattfinden. Das wiederum ist nur möglich, wenn sie stärker automatisiert und damit kostengünstiger wird. Dafür können wir mit unseren Automatisierungsanlagen und flexiblen Industrierobotern sorgen.
Glauben Sie, dass Produktion nach Deutschland zurückverlagert wird?
Das hängt vom Konsumentenverhalten ab. Wenn die Verbraucher Waren individuell und schnell wollen, dann wird sich die Produktion anpassen. Dann müsste zumindest die Endfertigung in Deutschland stattfinden.
China ist für die deutsche Industrie mit der wichtigste Markt. Wie profitieren Sie dabei?
In Deutschland sind bisher 175 000 Roboter installiert – bei 81 Millionen Einwohnern. In China leben 1,4 Milliarden Einwohner. Selbst wenn die Entwicklung nur halb so stark verläuft wie in Deutschland, wird unser Markt dort künftig extrem wachsen. Denken Sie einfach daran, wie die Absatzzahlen in den vergangenen Jahren in der Automobilindustrie nach oben geschnellt sind. Das wird auch in der Robotik passieren. Die Robotik und Automatisierung werden in den nächsten fünf Jahren ein Riesentrend sein.
Auch Chinas Robotik-Firmen wollen vom Kuchen etwas abhaben.
Das ist richtig. Einige versuchen auch unsere Produkte zu kopieren. Derzeit haben wir einen Vorsprung von drei bis fünf Jahren. Den werden wir halten, indem wir neue Produkte entwickeln und verkaufen.
Firmen aus den USA haben mehr Schlagkraft. Allein Google hat in den vergangenen Jahren mehr als ein halbes Dutzend Roboterfirmen gekauft – und kann mit eigener Software punkten.
Das stimmt, auch Amazon ist stark. Aber beide haben nur wenig Erfahrung mit automatisierten Prozessen in der Produktion. Hier können wir mit 40 Jahren Erfahrung in der Robotik und 100 Jahren Erfahrung in der Automatisierung punkten. Die Software-Kompetenz allein reicht nicht aus. Kuka bietet die Kombination aus Hard- und Software und hat das Prozess-Know-how. Die Produktion und die IT-Welt wachsen zusammen. Hier kommt es darauf an, wer den Kunden die besten Lösungen bieten kann.
Aber wie sieht es beim künftigen Wachstumsmarkt aus, dem Geschäft mit Robotern für Verbraucher?
Hier werden wir auf Augenhöhe mit Google, Amazon, Microsoft und chinesischen Firmen konkurrieren. Die Chancen sind enorm.