Der gebürtige Biberacher Horstmann ist ein Kopf der Berliner Investorenszene. Foto: Project A

Uwe Horstmann von Project A Ventures, ein bekannter Name der Berliner Risikokapital-Szene wirft seinen Blick auf Baden-Württemberg. Der gebürtige Biberacher will mit einem neuen Fonds im Volumen von 180 Millionen Euro groß einsteigen. Im Interview mit Andreas Geldner sagt er warum.

Stuttgart -

Bisher war Uwe Horstmann für seine frühere Mitarbeit in der größten deutschen Start-up-Schmiede Rocket Internet bekannt. Nun will sich der 30-Jährige verstärkt Start-ups jenseits der Berliner App-Ökonomie zuwenden – und dafür ist Baden-Württemberg seiner Ansicht nach prädestiniert.

Herr Horstmann, was will ein Berliner Investor in Baden-Württemberg?
Meine große Hoffnung ist es, dass 2017 das Jahr wird, in dem die Unternehmen, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden, das Thema Start-ups richtig entdecken. Das sind nicht nur die Großkonzerne, das ist vor allem auch der Mittelstand. Und der ist in Baden-Württemberg zu Hause. Wir möchten eine Brücke schlagen, zwischen dem was sich in Berlin tut und der Region. Baden-Württembergischer Innovationsgeist und Berliner Start-up-Kosmos sind die perfekte Kombination.
Was haben Sie im Land vor?
Wir haben gerade einen neuen Fonds in Höhe von 180 Millionen Euro eingesammelt, in dem der institutionelle Investor European Investment Fund sowie etablierte deutsche Unternehmen und Unternehmerfamilien wie Jahr, Haniel, Vaillant, Oetker und Pro Sieben Sat 1, aber auch zahlreiche führende Köpfe der Digitalszene investiert haben. Damit vergrößern wir uns deutlich und verwalten bei Project A nun insgesamt 256 Millionen Euro Kapital. Davon soll viel in Start-ups aus der Region fließen. Wir suchen da auch nach Partnern. Das können Firmen sein, öffentliche Träger oder Investoren vor Ort in Baden-Württemberg.
Und was ist das Besondere an Ihnen? Das Investitionsvolumen? Die Herangehensweise?
Wir machen ein Investitionsvolumen möglich, dass es in Baden-Württemberg zurzeit noch nicht in diesem Maße gibt. Wir können auch einmal zehn bis 15 Millionen Euro je Firma investieren. Genau an dieser Stelle des Finanzierungsbedarfs von Start-ups mangelt es im Land noch. Wir haben aber auch 100 Festangestellte, die beim Thema Start-ups ausgewiesene Experten sind, wenn es etwa um Themen wie Marketing, Vertrieb, Internationalisierung und Aufbau von Organisationen geht. Kurz: Wir bringen Geld in einer neuen Dimension nach Baden-Württemberg und bieten dazu den Zugriff auf das Beste aus der Hauptstadt. Und das ohne den ganzen Hype und das ganze Brimborium von dort, was man in meiner Heimat Baden-Württemberg bekanntlich nicht so gerne sieht.
Beim Stichwort „Vorbild Berlin“ wird man hier im Südwesten in der Tat allergisch.
Es wird immer gefragt, ob das, was in Berlin passiert, überhaupt nachhaltig ist. Aber wenn wir in Berlin nur Firmen bauen würden, die keine Substanz haben, dann hätten wir keinen kommerziellen Erfolg. Luftschlösser werden auch dort nicht honoriert. Das ist alles ganz klar auf Profitabilität ausgerichtet. Schauen Sie sich den Online-Versender Zalando an: Man hat lange Verluste geschrieben. Aber das waren Anlaufinvestitionen für die Technologie. Jetzt ist man dort profitabel.
Wollen Sie auch mit Mittelständlern kooperieren?
Wir kooperieren gerne mit Mittelständlern, wenn die das richtig ernst meinen. Aber man muss sich bewusst sein, dass das Geschäft mit Start-ups nicht einfach ist und man das nicht aus der bequemen Ecke heraus machen kann. Sonst ist das eine nette Werbegeschichte und nicht Bestandteil der eigenen Strategie.
Sie suchen nicht die Federführung?
Nein. Das ergibt sich allerdings in der Regel schon dadurch, dass wir mit relativ großen Investments einsteigen. Am Ende sind es aber die Start-up-Unternehmer, die das Heft in der Hand haben.
Und wie sind Sie dann in Baden-Württemberg vor Ort präsent?
Auf der Stuttgarter Königstraße werden sie uns vermutlich nicht finden. Wenn überhaupt, würde es uns eher in eine weniger glamouröse Umgebung ziehen. Das passt besser zu Start-ups. Unsere Berliner Experten sind heute schon in ganz Europa unterwegs. Sie werden sich auch vermehrt in Süddeutschland wiederfinden. Wir probieren die Sache jetzt erst einmal aus – mit voller Überzeugung. Wenn das Anklang findet, bauen wir dann vielleicht irgendwann mal ein Büro auf. Einer unserer Partner sitzt bereits in Süddeutschland. Das ist zwar in München, aber das ist ja schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung.
Manches baden-württembergisches Start-up kann sich also den Weg nach Berlin sparen?
Man kann in Berlin viel lernen, aber man muss nicht die ganze Zeit dort sein. Bei den Start-ups hier im Land interessiert uns die Nähe zu den Talenten und den Kunden. Aus Baden-Württemberg kann eine internationale Start-up-Region werden. Dann gibt es irgendwann keinen Grund mehr zum Weggehen.
Was fehlt dem Standort noch?
Im Bezug auf Start-ups ist Baden-Württemberg immer noch etwas im Dornröschenschlaf. Was fehlt ist die Einsicht, dass es nicht reicht schon sehr gut zu sein. Es ist noch nicht so bewusst, dass eigentlich jede Firma zur Softwarefirma mutieren wird. Und da ist es egal, ob wir heute vielleicht besser sind als die in Berlin – wir müssen noch viel besser werden.
Was ist der größte Fehler, den ein etabliertes Unternehmen bei einer Kooperation mit Start-ups machen kann?
Der größte Fehler ist es, diese Unternehmen gleich zu erdrücken. Beim Thema Start-ups geht es um den Kampf um die allerbesten Köpfe. Bei Start-ups ist der Erfolg nämlich sehr ungleich verteilt. Es gibt nur wenige, die ganz groß gewinnen. Entscheidend ist, dass man als Investor, sei es privat oder öffentlich, ein Angebot schnürt, das für die Allerbesten attraktiv ist. Wenn man Start-up-Projekte nur als Feigenblatt betreibt, dann zieht man Mittelmäßigkeit an. Und dann geht es schief.
Was hat ein Gründer überhaupt davon, wenn er mit einer etablierten Firma kooperiert?
Wir wollen über Projekte hinausgehen, die nur die nächste App bauen wollen. Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir in Deutschland und insbesondere in Baden-Württemberg schon immer gut konnten. Das sind eher Produkte, die sich an Firmenkunden richten. Hier sind aber die Eintrittsbarrieren größer. Da braucht man beispielsweise eine Produktionsstraße, wo man seinen neuen Roboter testen kann. Da braucht man Zugriff auf einen großen Datenschatz, wo man seine Algorithmen erst mal durchspielen kann. Da gibt es sehr viele Ansatzpunkte, an denen Mittelständler oder größere Unternehmen für einen solchen Gründer attraktiv sind. Erst als Steigbügelhalter und als erster Kunde, später als Investor oder als Unternehmenskäufer.
Sie stammen aus Biberach. Steckt hinter dem Start in Baden-Württemberg auch Lokalpatriotismus?
Absolut. Meine Berliner Kollegen wissen schon, dass ich nicht nur zum Biberacher Schützenfest gerne in den Süden gehe und mir viel an der Region liegt.