Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der in der Landeshauptstadt geboren wurde, ist im Alter von 94 Jahren gestorben.

Berlin/Stuttgart - Richard von Weizsäcker ist tot. Der CDU-Politiker starb am Samstag im Alter von 94 Jahren, wie das Präsidialamt in Berlin mitteilte. Weizsäcker war von 1984 bis 1994 deutsches Staatsoberhaupt. „Er stand für eine Bundesrepublik, die sich ihrer Vergangenheit stellt“, erklärte Bundespräsident Joachim Gauck in einem Kondolenzschreiben. Seine wohl bekannteste Rede hielt Weizsäcker zum 40. Jahrestag des Kriegsendes, als er den 8. Mai 1945 im Bundestag als „Tag der Befreiung“ vom „menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ bezeichnete. Auch das Ausland zollte ihm für die Worte Respekt. Nach dem Fall der Mauer 1989 mahnte der Bundespräsident zur Behutsamkeit beim Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten.

Auf die Welt kam Richard von Weizsäcker am 15. April 1920 im Stuttgarter Neuen Schloss. Seine Jugend verbrachte er in der Schweiz, in Dänemark und in Berlin - der Vater war als Diplomat im Einsatz. Von 1939 bis 1945 war Weizsäcker Soldat, im April 1945 wurde er in Ostpreußen verletzt und nach Potsdam transportiert.

Bis 1950 studierte Weizsäcker Jura und Geschichte in Göttingen, bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse unterstützt er die Anwälte seines Vaters. Vor Jahren widmete sich der "Spiegel" in einer im Prinzip wohlwollenden Geschichte dem "Mythos Weizsäcker". Unter die Lupe genommen wurde dabei die tragische Rolle des Vaters, unter Hitler Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Unterstellt wurden Ernst von Weizsäcker nicht nur Opportunismus, sondern auch Menschenverachtung im Sinne des NS-Rassenwahns. Wegen der Deportation französischer Juden wurde Ernst von Weizsäcker in Nürnberg als Kriegsverbrecher zu sieben Jahren Haft verurteilt - und vorzeitig entlassen. Der Weizsäcker-Biograf Martin Wein urteilt: "Bedächtig bis zur Ängstlichkeit, oft zu optimistisch und manchmal naiv, hatte der Patriot versucht, die brutale Außenpolitik des NS-Regimes zu bremsen, weil er in einem Weltkrieg die größte Gefahr für den Bestand der deutschen Nation sah."

Mit Helmut Kohl hat sich Weizsäcker zwischenzeitlich überworfen

1953 heiratete Richard von Weizsäcker Marianne von Kretschmann, aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. 1954 trat Weizsäcker in die CDU ein, von 1969 bis 1981 war er Mitglied des Bundestags. 1974 bewarb sich Weizsäcker aussichtslos um das Amt des Bundespräsidenten - gegen Walter Scheel blieb ihm nur die Rolle des Zählkandidaten. Sieben Jahre später schaffte er es dann doch in ein hohes Amt, Weizsäcker hat in der Politik zu kämpfen gelernt: 1981 wurde er Regierender Bürgermeister von Berlin, und die SPD musste zur Kenntnis nehmen, dass es ihm gelang, die militante Hausbesetzerszene zu beruhigen. Zuvor war er zweimal - in den 60er Jahren und Ende der 70er Jahre - Präsident des Evangelischen Kirchentags. 1984 dann der Sprung ins höchste Staatsamt, 1989 Wiederwahl mit großer Mehrheit: Er erhielt in der Bundesversammlung 881 von 1022 Stimmen.

Mit Helmut Kohl hat sich Weizsäcker zwischenzeitlich überworfen. Der CDU-Chef warf Weizsäcker vor, er habe vergessen, dass er auf der Parteischiene Karriere gemacht habe. Weizsäcker ließ im Gegenzug nicht ganz uneitel durchblicken, die CDU könne sich mit ihm brüsten. Er blieb stets auf Distanz zum Parteiensystem, und Anfang der 90er Jahre hielt er den Parteien gar Machtversessenheit und Machtvergessenheit vor.

Auch nach seinem Abtritt als Bundespräsident ist Weizsäcker ein weltweit gesuchter Ansprechpartner geblieben, er engagierte sich in Stiftungen, darunter der Theodor-Heuss-Stiftung in Stuttgart - getreu der Tradition, dass sich die Weizsäckers stets als Diener der Gesellschaft verstanden haben.

Weizsäcker, "der Preuße aus Stuttgart" (Helmut Schmidt), wollte nie als aristokratisch abgehoben gelten, gleichwohl erwarb er sich schon früh den Rang eines Elderstatesman. Keine Frage, Richard von Weizsäcker war ein großer Mann der deutschen Politik.