Eine Diesel-Lok zieht einen ICE über die Ausweichstrecke. Von Montag an fahren die Züge wieder auf der regulären Rheintalbahn. Foto: Hund/Lok-Report

In der Nacht von Sonntag auf Montag wird eine der wichtigsten europäischen Schienenverkehrsachsen wieder frei gegeben: die Rheintalbahn. Doch die Folgen der Panne beim Tunnelbau in Rastatt sind damit nicht ausgestanden – auch Klagen gegen die Bahn stehen im Raum.

Rastatt - Seit Samstag, 12. August, war die Rheintalbahn nach der Tunnel- Havarie bei Rastatt komplett gesperrt. Einschließlich dem 1. Oktober werden es 51 Tage Unterbrechung sein, an denen kein durchgängiger Bahnverkehr zwischen Karlsruhe und Basel möglich war. Von Montag, 0.01 Uhr, an, soll der Verkehr wieder angeschoben werden: fünf Tage früher als usprünglich vorgesehen.

Wie sieht es auf der Baustelle im Rastatter Stadtteil Niederbühl aus?

Mehr als vier Kiolometer lang werden die Tunnelröhren einmal sein, die die Züge auf der ausgebauten Rheintalbahn unter Rastatt hindurch führen. Die Arbeiten sind schon weit gediehen gewesen, ehe am 12. August ein bereits fertig gesteller Tunnelabschnitt abgesackt ist – und damit auch die bestehende, oberirdische Gleisstrecke. Kurz danach hatten die von der Deutschen Bahn beauftragten Firmen begonnen, die Röhre an der Unglücksstelle mit Beton zu verfüllen, um den Untergrund zu verfestigen. Auch die Tunnelvortriebsmaschine ist mit einbetoniert worden. Oberirdisch wurde eine mit Stahl bewehrte Betonplatte gegossen – 100 Meter lang, über zehn Meter breit und einen Meter dick – auf der die neuen Gleise verlegt wurden. Am Freitag erfolgte die bautechnische Abnahme der Gleise und Oberleitungen. Am Wochenende gibt es letzte Prüfarbeiten, damit die Züge von Montag an wieder fahren können.

Wie wird der Bahnverkehr wieder angeschoben?

Punkt 0.01 Uhr wird das Startsignal gegeben. Bereits am Freitag, 22. September, hatten Kunden aus der Logistikbranche bei der Bahn Wünsche für Fahrtrouten anmelden müssen. Besonders der Andrang „liegen gebliebener“ Güterzüge von privaten Transportunternehmen dürfte groß sein. An Spitzentagen verkehren auf der Rheintalbahn bis zu 170 Güterzüge. Die mit Haltepunkten in Baden-Baden und Offenburg verkehrenden ICE-Züge werden wieder durchgängig fahren, für Bahrgäste entfällt das zuletzt notwendige, lästige Umsteigen. Die Karlsruher Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG), als Betreiber der Stadtbahnlinien in der Region, hat allerdings angekündigt das „reguläre Fahrplanangebot“ erst von Mittwoch an wieder aufzunehmen – um für Eventualitäten gerüstet zu sein.

Wie lief der Bus-Ersatzverkehr zwischen Rastatt und Baden-Baden?

In Spitzenzeiten seien bei dem – seit August – zwischen Rastatt und Baden-Baden eingerichteten Ersatzverkehr bis zu 120 Busse und Gelenkbusse im Einsatz gewesen, sagte jüngst Richard Lutz, der neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, vor Ort in Rastatt. Die Bahn hatte dazu Busse von Unternehmen auch aus Freiburg und Pforzheim geordert. Lutz nannte auch den Einsatz von zusätzlich rund 60 Bahnmitarbeitern an den Bahnhöfen in Rastatt und Baden-Baden, die teilweise auch aus anderen Bundesländern kamen, um die Fahrgäste zu losten. Bis zu 800 Personen mussten in Spitzenzeiten von den in Rastatt ankommenden einzelnen ICEs umsteigen und mit den meist in Kolonne fahrenden Bussen nach Baden-Baden gebracht werden – oder eben auch in umgekehrter Richtung. Nachdem es große Anlaufschwierigkeiten gegeben hatte, wurde der Bahn zuletzt allerdings ein ordentliches Krisenmanagement attestiert. Diesen Eindruck bestätigte auch der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

Wie sieht es mit dem Schiedsverfahren und den Schadenskosten aus?

Zur Schadensursache beim Tunnelbau halten sich die Verantwortlichen der Bahn weiterhin bedeckt. Das schon im August angekündigte Schiedsverfahren zwischen dem Konzern und beteiligten Baufirmen sei „bereits im Gang“. Es solle innerhalb „von längstens sechs Monaten“ abgeschlossen sein. Zu den Schadenskosten könne man „zum jetzigen Zeitpunkt“ keine Angaben machen, sagte Bahnvorstand Ronald Pofalla dieser Tage. Bei der Wiederherstellung der Trasse bei Niederbühl habe „man nicht auf die Kosten geschaut“, betonte der Bahnchef Richard Lutz. Ziel sei es gewesen, die Befahrbarkeit der Strecke „so schnell wie möglich wieder herzustellen“. Alternativen, etwa den von privaten Güterverkehrsunternehmen angesprochenen Bau einer behelfsmäßigen, einspurigen Ersatzstrecke – als schneller zu erstellende „Nottrasse“ – habe es wegen beengter räumlicher Verhältnisse nicht gegeben.

Wie geht es weiter mit dem Tunnelbau?

Die Entscheidung zum Weiterbau der zweiten, unbeschädigt gebliebenen Tunnelröhre (der so genannten „West-Röhre“) unter Rastatt hindurch traf die Bahn bereits vor einigen Wochen. Die Tunnelvortriebsmaschine mit Namen „Sibylla-Augusta“, wird laut den Angaben der Bahn „in etwa drei Monaten“ die Havarie-Stelle bei Niederbühl erreichen. Vorsorglich wurde deshalb die mit Stahl bewehrte Betonplatte unter dem Gleisbett verlängert bis zu der Stelle, wo der Tunnel dieses unterqueren wird. Wie mit der – seit August mit Beton verfüllten – östlich gelegenen Röhre, in der die Vortriebsmaschine mit dem Namen „Wilhelmine“ eingegossen ist, weiter verfahren wird, ist derzeit unklar. Die Havarie verzögere die Inbetriebnahme der Rheintalbahn um eineinhalb bis zwei Jahre, statt 2022 werde es wohl 2024 werden, verlautete am Mittwoch aus dem Verkehrsausschuss im baden-württembergischen Landtag.

Wie wird die Bahn künftig auf derartige Unfälle reagieren?

Immer wieder war in den vergangenen Wochen diskutiert worden, ob die bestehenden „Krisenszenarien“ der Deutschen Bahn AG für Unfälle wie die Tunnel-Havarie in Rastatt ausreichen. Zuletzt hatte dies auch Landesverkehrsminister Hermann bezweifelt. Die Bahn habe „die Dringlichkeit erkannt, im Krisenfall für europäische und deutsche Magistralen abgestimmte internationale Notfallkonzepte für Umleitungsverkehre verfügbar zu haben“, räumte jetzt die Bundesregierung auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten und Verkehrsexperten Matthias Gastel (Grüne) aus dem Wahlkreis Nürtingen ein. Gastel hatte in einer Anfrage zur „Tunnelhavarie an der Rheintalbahn bei Rastatt“ einen umfangreichen Fragenkatalog an die Bundesregierung eingereicht, der jetzt beantwortet wurde. „Für Störungen existieren bei der Bahn AG Notfallszenarien für die Wiederaufnahme des Bahnbetriebs und die Baustellensicherung. Jedes Ereignis bedarf einer Analyse der Situation vor Ort und eines maßgeschneiderten Vorgehens“, heißt es in der 13-seitigen Drucksache.