Auch im Winter eisfrei: Der Landesplatz für Rettungshubschrauber auf dem Dach des Klinikums Esslingen. Foto: Leif Piechowski

30 bis 35 Mal pro Jahr landet auf dem Dach des Esslinger Klinikums der Rettungshubschrauber. Dann muss jeder Handgriff sitzen, damit der Schwerstverletzte oder Risikopatient so schnell wie möglich im OP ankommt.

Esslingen - „Wenn die Alarmierungskette erst einmal ausgelöst ist, hört man den Hubschrauber oft schon“, sagt Dieter Seng, Fachbereichsleiter Haus- und Betriebstechnik am Klinikum Esslingen. Von der Leitstelle in Echterdingen benötigt er gerade einmal zwei Minuten. Dann sind zunächst die beiden Kräfte an der Pforte gefordert: Sie kontrollieren über LED-Kontrolllampen, ob die Befeuerung des Landeplatzes oben auf dem Dach in Ordnung ist. Sollte ein Lämpchen nicht leuchten, muss der Landeplatz gesperrt werden – Sicherheit geht vor.

Rund 70 Prozent der Landungen gehen auf einen Notfall zurück, die anderen 30 Prozent sind vorhersehbare Flüge für die Verlegung von Patienten etwa in ein Herzzentrum. Die schwersten Unfälle passieren mit dem Motorrad oder auf Streuobstwiesen, sagt Dieter Seng. Der Notarzt ruft dann in der Klinik an und fragt, ob sie den Patienten annehmen kann. Ein einziges Mal, so Dieter Seng, sei es seit 2003 vorgekommen, dass niemand im Haus gewusst habe, dass der Hubschrauber kommt. Solche Kommunikationsfehler können fatale Folgen haben. Im Bereich des Stuttgarter Regierungspräsidiums (RP) gibt es zurzeit 20 genehmigte Landeplätze an Krankenhäusern, davon in der Region Stuttgart rund ein Dutzend. Weitere fünf sind nach Auskunft von Sprecher Clemens Homoth-Kuhs im Genehmigungsverfahren: „Das dauert Monate, die Hürden sind sehr hoch.“ Das gilt für das Luftfahrtrecht, aber auch für die Betriebssicherheit der Plätze.

Die Piloten von Rettungshubschraubern sind immer Berufspiloten, die über eine für mehrere Jahre geltende Allgemeinerlaubnis verfügen. Zuständig ist das Luftfahrtsbundesamt. Sie dürfen damit im Notfall beispielsweise auch auf Autobahnen landen. Für die Landeplätze ist dagegen das RP zuständig, das Änderungsgenehmigungen erteilt und neue Plätze genehmigt. Bereitgestellt werden die Hubschrauber von Organisationen wie der Deutschen Rettungsflugwacht (DRF), die ihre Christoph in Pattonville stationiert hat, der ADAC oder die Schweizerische Rettungsflugwacht Rega, die teils, so Homoth-Kuhs, bis in den Raum Stuttgart agiert. Diese Betreiber benötigen nach dem Rettungsdienstgesetz eine Lizenz vom Sozialministerium des Landes, das die Zuteilung der Einsatzgebiete regelt.

Ein Aufzug nur für die Notfallcrew

Der Esslinger Landeplatz wurde 2003 genehmigt und muss rund um die Uhr geöffnet sein. Zwar sind die Hubschrauber der DRF in der Region noch nicht für Blindflüge ausgerüstet und haben ein Nachtflugverbot, doch in den Nachbarländern verfügen sie über diese Lizenz. Und auch der ADAC kann Notfall-Patienten nachts fliegen, das Esslinger Klinikum muss deshalb dafür also gewappnet sein.

Grundsätzlich haben dort immer zwei Personen Dienst, die befähigt sind, den Hubschrauber in Empfang zu nehmen. In Esslingen sind das rund 50 Personen, knapp 20 von ihnen Ärzte, gut 30 Krankenschwestern. Sie werden viermal im Jahr für diesen Einsatz geschult. Außerdem durchlaufen sie einmal jährlich eine brandtechnische Schulung. Es ist schließlich nicht auszuschließen, dass am Hubschrauber eine Verpuffung entsteht. Vor der Pforte hängen deshalb Brandschutzjacken, Helme und Feuerlöscher.

Die Diensthabenden drücken nach dem Gespräch mit dem Notarzt den Alarmierungsknopf – Schwestern und Ärzte müssen sich umgehend an einem so genannten Knotenpunkt einfinden. reserviert. Für ihn gibt es auch nur drei Schlüssel – einen im Pilotenraum, einen an der Pforte und einen am Knotenpunkt selbst. Das Team verlässt oben rein rechtlich die Klinik und betritt den Bereich des Hubschrauberlandesplatzes.

Haarsträubende Szenen mit Krankenhauspatienten

Grundsätzlich muss ein Mitarbeiter des technischen Dienstes dabei sein, wenn der Patient die Seiten wechselt. Offenbar gab es schon haarsträubende Szenen mit Krankenhauspatienten, die als Gaffer im Weg standen und den Transport eines Patienten erschwerten. Dabei zählt bei Unfallopfern oft jede Minute. Sie werden, sobald sie den Hubschrauber verlassen haben, sofort in einen Operationssaal (OP) gebracht.

Die Landung an sich ist genau geregelt: Grundsätzlich dürfen die Piloten den Kreis mit dem großen H und 15 Metern Durchmesser nur aus Ost oder West anfliegen – damit Windböen das vier Tonnen schwere Fluggerät nicht gegen das Gebäude drücken. Damit der starke Luftsog der Rotoren keine Schaden anrichtet, gehen die Türen erst auf, wenn die Rotoren stehen. Sonst könnten sich in der Klinik sogar die Kassettendecken lösen, meint Dieter Seng. Die Jalousien an den Fenstern halten dem Sog ebenfalls nicht stand: Deshalb fahren sie, sobald die Befeuerung des Landesplatzes angeht, auf dieser Gebäudeseite alle nach oben.

Im Winter gelten für den Landeplatz ähnliche Sicherheitsvorschriften wie auf einem Flughafen: Ein 24-stündiger Schneebereitschaftsdienst ist Pflicht. Wie am Flughafen wird Harnsäure gesprüht, damit der Landepunkt nicht friert. So lief der Betrieb bisher auch in der kalten Jahreszeit reibungslos. Vor zwei Jahren allerdings wollte Dieter Seng kein Risiko eingehen. „Da war dieser strenge Winter mit eisiger Kälte – da habe ich den Platz für eineinhalb Tage gesperrt.“