Die Retter sollen schnell am Einsatzort sein – und dort medizinisch wie menschlich kompetent auftreten. Das hat in einem Fall in Stuttgart jetzt überhaupt nicht geklappt Foto: dpa

Ein 76 Jahre alter Mann leidet nachts an starken Bauchschmerzen. Seine Frau wählt den Notruf. Doch statt des Notarztes kommt eine halbe Stunde später ein Rettungswagen. Und von den Rettern gibt es zunächst keine Hilfe, sondern bizarre Ratschläge.

Stuttgart - Ein 76 Jahre alter Patient hat schlimme Erfahrungen mit dem Stuttgarter Rettungsdienst gemacht. Alt-Stadtrat Dieter Bossert litt bei Nacht unter heftigen Bauchkoliken. Als seine Frau den Notruf 112 wählte, entschied der Disponent, dass kein Notarzt notwendig ist. Erst nach einigen Diskussionen kam ein Rettungswagen ohne Signal – eine knappe halbe Stunde später. Die beiden Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes rieten Bossert, erst einmal „richtig kacken“ zu gehen und Kamillentee zu trinken. „Ich bin behandelt worden wie ein alter Depp“, sagt er. Nur durch das vehemente Einschreiten seiner Frau sei er überhaupt ins Krankenhaus gebracht worden. Dort musste ihm nur wenige Stunden später die stark entzündete Gallenblase entfernt werden.

Bossert befürchtet, dass die Vorkommnisse kein Einzelfall sind. Der frühere Stadtrat ist beim Stadtseniorenrat aktiv und hat sich offiziell beim Roten Kreuz beschwert. Er glaubt, dass gerade ältere Menschen, die allein oder hilflos sind, vom Rettungsdienst häufiger nicht ernst genommen werden: „Ich will vermeiden, dass andere, die sich nicht wehren können, in eine noch schlimmere Lage kommen als ich.“

Der Fall dürfte als Blaupause dafür dienen, wie die Notfallrettung nicht funktionieren soll. Allerdings wird die Belastung für Rettungsdienstmitarbeiter in Stuttgart durch ständig wachsende Einsatzzahlen immer größer. Dabei rufen auch viele Hilfesuchende an, die eigentlich zum Hausarzt gehen könnten. „Es kommt vermehrt vor, dass der Bürger ein sehr hohes Anspruchsdenken hat“, sagt Michael Weisbach. Der Leiter der Rettungsleitstelle spricht davon, dass der Disponent am Telefon in Bosserts Fall korrekt gehandelt habe. Das Verhalten der Mitarbeiter in der Wohnung allerdings sei inakzeptabel: „Wir müssen noch mit den Kollegen sprechen. Aber wenn sich die Vorwürfe bestätigen, geht das so natürlich gar nicht.“