Die polnische Modekette Reserved ist auch im Milaneo vertreten Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Eine gute halbe Stunde vor Beginn des Urnengangs hat das Landesarbeitsgericht am Freitag die erste Betriebsratswahl beim Modefilialisten Reserved im Milaneo abgebrochen. Grund: Der dreiköpfige Wahlvorstand und die beiden Ersatzmitglieder waren vor ihrer Bestellung entlassen worden.

Stuttgart - Fünf Angestellte der polnischen Modekette Reserved im Milaneo wollten am Freitagmittag ihre Kolleginnen einen Betriebsrat wählen lassen. Weil sie aber gekündigt worden waren und ihre Arbeitsverträge um Mitternacht geendet hatten, brach das Landesarbeitsgericht die Wahl ab.

„Das Milaneo ist eine mitbestimmungsfreie Zone“, sagt Christina Frank, die bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für den Einzelhandel zuständig ist. Ein hartes Brot in einer Branche, wo Mitarbeiter wenig verdienen und oft mit befristeten Verträgen arbeiten. Bei Reserved nach Angaben mehrerer Mitarbeiterinnen rund 1700 Euro brutto im Monat bei einer 40-Stunden-Woche und Einjahresverträgen. Franks Arbeit ist am Freitag nicht leichter geworden. „Dieses Urteil baut weitere Hürden auf für die Wahl eines Betriebsrats“, sagt sie.

Eine Mitarbeiterin von Reserved, die nach Angaben gegenüber unserer Zeitung Wind davon bekommen hatte, dass nach dem Weihnachtsgeschäft ein Drittel der insgesamt 47 Kollegen entlassen werden sollte, kam Mitte November mit weiteren Kolleginnen auf Frank zu, weil sie einen Betriebsrat gründen wollten. Den Frauen brannten auch andere Themen unter den Nägeln, wie sie am Rande der Verhandlung sagten. Etwa, dass Kollegen von 20 Uhr bis sechs Uhr morgens mit gerade einmal 30 Minuten Pause und ohne Nachtzuschlag Preise auszeichneten. Oder dass sie für ihre Uniform nur ein Hemd und eine Hose für eine Woche bekamen. Von Reserved am Deutschland-Sitz in Hamburg war am Freitag keine Stellungnahme zu bekommen.

Die Gruppe, die zu Verdi gegangen war, besprach sich mit weiteren Kolleginnen und sie beschlossen, am 4. Dezember eine Betriebsversammlung abzuhalten, um einen Wahlvorstand zu küren. Dies geschah auch. Allerdings hatten bis dahin alle fünf Frauen, die für den Vorstand kandidieren wollten, Kündigungen im Briefkasten. Die Mitarbeiter der am 9. Oktober mit dem Milaneo eröffneten Filiale hatten noch keinen Kündigungsschutz, die Kündigungsfrist beträgt zwei Wochen.

Die fünf Wahlvorstände und ein weiterer der acht Kandidaten für den Betriebsrat klagen zwar gegen ihre Kündigungen, vor dem Landesarbeitsgericht wollte nun aber die Reserved GmbH zunächst einmal die anstehende Betriebsratswahl abbrechen lassen. Begründung: Der Wahlvorstand sei doch gar nicht mehr bei Reserved beschäftigt. Der Anwalt des Wahlvorstands argumentierte dagegen, dass der Wahlvorstand bestellt sei und die Wahl durchführen könne.

Die beiden Juristen stritten sich lange darüber, wann welche Person eine Einladung für den 4. Dezember bekommen hatte und auf welchem Wege. Der Reserved-Anwalt behauptete zunächst, diese sei nur über eine What’s-App-Gruppe ergangen, der gar nicht alle Mitarbeiter angehörten. Der Wahlvorstand entkräftete dies: Die Ausschreibung sei mehrfach persönlich in die Filiale gebracht worden, und die Filialleiterin habe auch zugesagt, diese auszuhängen.

„Man wollte die Leute, die sich für die Betriebsratswahl engagieren, systematisch loswerden“, sagte der Jurist des Wahlvorstands, und verwies darauf, dass nur diese in den vergangenen Wochen eine Kündigung erhalten hätten. „Wir haben nichts gegen die Gründung eines Betriebsrats“, hielt der Rechtsbeistand der Modekette dagegen. Die Kündigungen seien unabhängig davon ergangen und hätten andere Gründe: mangelnde Leistung etwa, und bei einer gekündigten Führungskraft auch Ungleichbehandlung der Untergebenen.

Anders als das Arbeitsgericht, das dem Wahlvorstand in erster Instanz Recht gegeben hatte, entschied die Kammer mit dem Vorsitzenden Richter Uli Hensinger, die Betriebsratswahl abzubrechen. Er hatte keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl, Fakt sei aber, dass der komplette Wahlvorstand nicht mehr bei Reserved angestellt sei.

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