Die ersten Gäste hatten morgens bereits gewartet (links). Der Patagonia-Reparaturbus hat auf seiner Tour durch Deutschland und Österreich im Süden Halt gemacht. Foto: privat

Reißverschlüsse, Löcher, abgefallene Knöpfe: Die Firma Patagonia war während ihrer „Patagonia Worn Wear“-Tour zu Gast auf dem Markusplatz und hat kostenlos Kleider repariert.

S-Süd - Für die Oma war das einst noch normal: Ein Loch in einer Socke wurde gestopft, ein abgefallener Knopf wieder angenäht. Inzwischen sind Kleider aber in Billigmodeketten so günstig zu bekommen, dass sich die Mühe eigentlich kaum mehr lohnt. Kaputtes wandert einfach in den Müll. Gegen diese Wegwerf-Mentalität möchte die amerikanische Outdoor-Firma Patagonia vorgehen. Ein Team des deutschen Ablegers tourt derzeit mit einem Reparaturbus durch Deutschland und Österreich und repariert in zahlreichen Städten kostenlos kaputte oder beschädigte Kleidung.

Diese Woche machten der Tourleiter Andi Dolp, Anna Elleke und die Näherin Barbara Heinze Halt auf dem Markusplatz im Stuttgarter Süden. Dort scheint der eine oder andere schon umweltbewusster zu denken. Bereits kurz vor elf am Vormittag, noch bevor der Bus geöffnet hatte, bildete sich am Markusplatz an der Römerstraße eine kleine Schlange. Über die Zeitung hatten die meisten erfahren, dass der Bus in Stuttgart zu Gast ist, erzählte Elleke, die bei Patagonia in München Werkstudentin ist und die Tour mit konzipiert hat. „Viele kommen auch nur vorbei und haben Fragen, wie sie Sachen selbst reparieren können“, ergänzte die 23-Jährige. Einige überbrachten nur ihre Glückwünsche zu dieser tollen Idee. „Das hat mich auch überrascht“, gestand sie und lachte.

Im Reparaturbus wird im Akkord gearbeitet

Sie nimmt in der Regel die Kleider der Kunden an. Kleinigkeiten, die von Hand gemacht werden können, erledigt sie kurzerhand selbst; den Rest gibt sie an die Näherin Heinze weiter. Die sitzt von elf bis 18 Uhr im Bus an der Nähmaschine – und näht und näht. Rund 30 größere Reparaturen hat sie am Montag geschafft. „Wir arbeiten echt im Akkord“, sagt Elleke.

Ob Reißverschlüsse, Risse, Löcher oder ausgefranste Säume – fast alles kriegt das Team von der „Patagonia Worn Wear“-Tour wieder hin. Ralf Großhans war am Abend auf jeden Fall glücklich: „Die Jacke meiner Frau haben sie hier super wieder aufgearbeitet.“ Das Material war durchgescheuert, nach der Reparatur sah man davon nichts mehr. Die Idee, kaputte Kleider in einem Bus kostenlos zu reparieren, findet der 45-jährige Heilbronner gut. Gerade seine Outdoor-Kleider trage er gerne auch mal zehn Jahre. „Ich tausche nicht alles gleich aus, nur weil ein Loch drin ist.“

Einmal gekaufte Kleidung möglichst lange zu nutzen, ist mit Sicherheit auch das Beste, was man für die Entlastung der Umwelt tun kann – ebenso wie nur das zu kaufen, was man wirklich braucht. Durch Pflege oder Reparatur lässt sich die Lebensdauer eines Stückes durchaus verlängern. Der Umweltgedanke war jedoch in der Textilindustrie ebenso wie bei den Konsumenten lange kaum verbreitet. Inzwischen wächst auch in dieser Branche langsam ein Bewusstsein für nachhaltig produzierte Kleidung.

Aus alten Resten neue Sachen zu entwerfen, ist inzwischen vor allem unter handwerklich Geschickten längst ein eigener Trend geworden. Upcycling nennt sich dies, wenn zum Beispiel aus alten Vorhangstoffen ein neue Tasche für unterwegs wird.

Im textilen Repaircafé werden aus alten Sachen neue genäht

Renata Domogalla hatte diesen Trend schon verinnerlicht, bevor es ihn überhaupt gab. Sie hebt seit jeher alles auf, was ihr in die Finger kommt. Wegwerfen ist ihr fremd. Die 55-Jährige ist Textildesignerin; seit etwa 15 Jahren ist sie mit ihrem Atelier in der Römerstraße 28 im Heusteigviertel und macht dort aus alten Stoffen, Tischdecken, Vorhängen oder Krawatten neue Sachen.

Domogalla ist der lokale Kooperationspartnerin für die Tour von Patagonia. Längst hat sie in ihrem Laden ein textiles Repaircafé ins Leben gerufen. „Ich zeige anderen gerne, wie sie selbst Dinge reparieren können oder aus alten Dingen ganz Neues kreieren können.“

Das Sammeln hat die gebürtige Polin, die schon in der Schweiz, in Italien und in Neuseeland gelebt hat, von ihrer Mutter gelernt. „Man hat schon aus ökonomischen Gründen nichts weggeworfen.“ Heute hat das Aufheben von Dingen bei Renata Domogalla einen nachhaltigen und einen kreativen Aspekt: „Ich schaue in meinen Fundus und dann kommt mir eine Idee.“