Der Rennwagen F0711-10 kam kürzlich aus den Vereinigten Staaten zurück. Foto: Julia Schuster

Das Rennteam der Universität Stuttgart holt bei der Formula SAE in Michigan den ersten Platz. Für die neue Saison fehlt aber noch ein entscheidendes Detail: die Teststrecke.

Vaihingen - Eine Glasvitrine voller Pokale – das ist der erste Anblick, der sich Besuchern des Rennteams am Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen am Pfaffenwaldring 12 bietet. Den letzten Pokal konnte sich das Rennteam der Universität Stuttgart Mitte Mai ins Regal stellen. In den Räumen nebenan wird deutlich, dass sich Erfolg nicht von selbst einstellt: Zwischen Reifen und Kohlefaserplatten sitzen Studenten an ihren Laptops oder werkeln an den Front- und Heckflügeln. Sie konzipieren und bauen an ihrem nächsten Rennwagen – den F0711-11.

Zwei von ihnen sind die Teamleiter Matthias Grell und Julian Preuss. Gemeinsam mit ihrer Gruppe haben die 24-Jährigen im Mai die Formula SAE in Michigan gewonnen, in der Formula Student der wichtigste internationale Wettbewerb. „Es ist das Hauptevent im Formula-Student-Kalender und der größte Wettbewerb für Verbrennungsmotoren“, sagt Grell, der auf dem Campus Fahrzeug- und Motorentechnik studiert. Gegen 119 Teams aus der ganzen Welt mussten sich die angehenden Ingenieure durchsetzen. „In Michigan sind die Topteams unter den Verbrennungsmotoren dabei“, sagt Preuss aus dem Studiengang Maschinenbau.

80 Stunden die Woche für den Motorsport

Die Formula Student ist ein internationaler Konstruktionswettbewerb für Studenten. Seit 1981 gibt er ihnen die Möglichkeit, mit selbst gebauten Rennwagen in verschiedenen Disziplinen gegeneinander anzutreten. Die Formula Student gilt als die studentische Meisterschaft des Motorsports – und als Sprungbrett, um später auch beruflich im Motorsport Fuß fassen zu können.

Dass es in Michigan zum entscheidenden Sieg kam, war den Stuttgartern im Vorhinein nicht bewusst. „Durch den vorherigen Sieg wussten wir, dass wir gut sind. Aber im Motorsport kann immer alles passieren. Es gibt nie einen Garant dafür, dass man oben mitfährt“, sagt Grell.

Die Studenten des Rennteams Stuttgart leben für ihren Sport. Das 40-köpfige Team verbringt die Tage – und oft auch Nächte – in der eigenen Werkstatt auf dem Campus Vaihingen. „Wir sind 80 Stunden in der Woche hier“, sagt Grell. Gearbeitet wird im Schichtbetrieb, rund um die Uhr. Tagsüber testen die Studenten den neuen Rennwagen und schrauben an fehlenden Wagenteilen, nachts ist die Wartung an der Reihe.

Für den Motorsport pausieren sie ein Jahr freiwillig mit ihrem Studium. Vorlesungen und Prüfungen lassen sich mit dem allumfassenden Hobby nicht vereinen. „Es ist eine einmalige Gelegenheit für uns, einen Rennwagen selbst zu bauen. Das macht man später wahrscheinlich nie mehr“, sagt Grell. Die Universität unterstützt ihre Schützlinge mit Urlaubssemestern. „Man kommt nicht nur technisch weiter – man lernt beispielsweise auch viel über Zeitmanagement und wir können Teamleiterluft schnuppern“, sagt Preuss.

Mit verbesserter Aerodynamik zum Erfolg

Von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde in 3,5 Sekunden: Der Rennwagen beschleunigt schneller als ein Porsche. Mit ihrem 85-PS-Fahrzeug holten sich die Stuttgarter zwei Siege in den Vereinigten Staaten und in Spanien. Beim deutschen Wettbewerb reichte es für den zweiten Platz, in England für den dritten. Nachdem die Saison abgelaufen ist, wird nun am neuen Flitzer gebaut. Die Messlatte ist hoch. Derzeit rangiert das Rennteam der Universität Stuttgart auf Weltranglistenplatz 2.

Die Platzierung und der Sieg im Mai spornen an. „Das Ziel der neuen Saison ist es, sich auf den Platz 1 vorzubereiten“, sagt Grell. Klare Anforderungen an den Rennwagennachfolger namens F0711-11. „Wir haben letztes Jahr unser Fahrzeug mit dem 3-Feder-System verbessert und wollen jetzt noch die Aerodynamik weiterentwickeln“, sagt Grell. Beim 3-Feder-System gibt es neben zwei Federn pro Achse an den Rädern noch eine dritte Feder, die die Räder miteinander verbindet. Sie verhindert ein zu starkes Einknicken beim Bremsen. Die Aerodynamik soll einen hohen Anpressdruck erzeugen, damit das Fahrzeug eine höhere Kurvengeschwindigkeit erreichen kann.

F0711-11 fehlt Teststrecke

Noch ist F0711-11 allerdings heimatlos. So sehr sich die Studenten schon um sein Herz, den Motor, kümmern – von der Leine lassen können sie ihn nur bedingt. Denn es fehlt eine geeignete Teststrecke. Der Flugplatz in Renningen aus dem vergangenem Jahr kann nicht mehr genutzt werden und auch der Stuttgarter Flughafen kommt nicht mehr in Frage, weil sich ein Anwohner beschwerte. „Unsere dringendste Aufgabe ist es, den Rennwagen zu testen – aber wir wissen nicht wo“, sagt Preuss. Das Team will endlich Testkilometer fahren, um im Juli beim ersten Wettbewerb der Saison, in Silverstone in England, durchstarten zu können.

Julian Preuss und Matthias Grell denken langfristig. Sie suchen nicht nur eine Teststrecke für ihr aktuelles Fahrzeug, sondern auch schon neue Teammitglieder für 2017. Dann wird ein komplett neues Team einen neuen Rennwagen bauen. Auf das Know-how der vergangenen Jahre wird es sich aber auch in der nächsten Saison verlassen können. „Wir machen eine Evolution, keine Revolution. Wir haben nicht jedes Jahr ein neues System, sondern entwickeln das alte weiter“, sagt Preuss. Sein Kollege Grell sieht in der engen Gemeinschaft das Erfolgsprinzip. „Wir sind ein kleines Team, aber jeder steckt sein Herzblut rein und gibt Vollgas “, sagt Grell.