Besucher beim Eröffnungsgottesdienst des 35. Evangelischen Kirchentags Foto: dpa

Renate Höppner, die Witwe des früheren Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, predigt auf dem Marktplatz. Fromm und nicht minder politisch. Dem Publikum gefällt es.

Stuttgart - „Auf den Kirchentag kann man viel lernen“, meint Renate Höppner, Pastorin aus Magdeburg. „Klug ist auf die Richtung zu achten und die Sichtweise zu ändern. Klug ist auf das Wesentliche zu achten.“ Sie erzählt von ihrem Mann, der vor wenigen Monaten gestorben ist. Von ihren Kindern und Enkeln. Von den Bibeltexten auf dem Kirchentag. Da ist das Gleichnis von den zehn Jungfrauen, fünf törichte und fünf Kluge. „Es gibt unteilbare Dinge im Leben. Klug ist, wer das begreift.“

Pastorin Höppner predigt vom Leben und Sterben. Die Menschen auf dem Marktplatz hören gebannt zu. Lauschen auf jedes Wort, andächtig, still, gesammelt. Eine Atmosphäre wie in der Kirche, nur im Freien. „Es gibt unteilbare Dinge im Leben. Darauf müssen wir achten. Das heißt klug werden.“

„Leise“, zischt ein Herr, den das Reden am Rande stört. „Das ist ein Gottesdienst.“ Einige nicken zustimmend.

„Lassen wir uns anstecken von der Freude“, ruft die Pastorin. „Ich freue m ich schon auf die Menschen mit dem Schild: Kostenlose Umarmung.“ Lachen. „Gott will, dass alle Menschen klug werden können.“ Das sei ein politischer Satz, sagt die Pfarrerin. Ihr Mann, der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhold Höppner und selber Pfarrer, sei oft angefeindet worden, weil er mit allen reden wollte, auch mit jenen, mit denen andere nicht reden wollten. „Wir können viel von den Flüchtlingen lernen, die zu uns kommen. Sie haben andere Erfahrungen als wir. Das ist gut. Wir lernen zuzuhören.“

Es sei gut vom Ende her zu denken. „Wir haben nicht unbegrenzt Zeit. Jeder Tag ist einmalig. Richtig Leben ist keine Generalprobe, sondern immer Aufführung.“ Und die Politik? „Wenn ich mit Soldaten ein Land gehe, muss ich überlegen, wie ich wieder herauskomme.“ Spontaner Applaus. Terror der IS? Der Krieg in Afghanistan? Im Irak? In Syrien? „Schrecklich“ sei das, sagt Renate Höppner.

„Was können wir Christen tun?“ fragt sie in die Menge. „Nicht müde werden mit unseren Gebeten. Lasst uns die Tage in Stuttgart nutzen, auf Gott hören, die wunderbare Musik in u8nser Herz lassen. Feiern wir gemeinsam Kirchentag, damit wir klug werden.“