Leuchtreklamen an denkmalgeschützten Häusern sind ohnehin verboten. Das betrifft etwa jeden dritten Bau im Leonhardsviertel. Foto: Lichtgut/Horst Rudel

Die Stadt will Leuchtreklame im Leonhardsviertel verbieten. An etlichen Häusern könnte sie das heute schon – nahezu an jedem dritten Bau.

S-Mitte - In der Landeshauptstadt gleicht der Amtsbegriff Gestaltungssatzung einem Adelstitel, denn bisher „gibt es noch keine in Stuttgart“, sagt die Stadtplanerin Claudia Fuhrich. Andere Städte nutzen bereits ein solches Regelwerk, zumeist für ihre Altstadt.

Gleiches gilt für die Stadt Stuttgart. Mit deren erster Gestaltungssatzung soll gleichsam das Leonhardsviertel geadelt werden. Allerdings ist das Papier nicht beschlossen, sondern erst in Arbeit. Auf seiner Grundlage wird mehr oder minder vorgeschrieben, dass Häuser nicht verschandelt werden dürfen. Einigermaßen kurios mutet an, dass sich zum Rotlichtquartier Sillenbuch gesellen soll. Für das vergleichsweise totenstille und von Neubauten geprägte Wohngebiet am südöstlichen Rand von Stuttgart ist ebenfalls eine solche Satzung in Arbeit.

Durch die Gassen weht Platikmüll

Das Leonhardsviertel ist „ein historisch wertvoller Stadtbaustein Stuttgarts“. So ist es im Vorwort zur Verwaltungsunterlage zu lesen. Einfacher formuliert: Im Leonhardsviertel stehen die ältesten Häuser der Stadt. Gut 30 von ihnen sind von Amts wegen unter Denkmalschutz gestellt – das ist etwa jeder dritte Bau. Das Viertel ist im 14. Jahrhundert entstanden. Es war die Zeit, in der die letzten Kreuzzüge geführt und das Spinnrad erfunden wurden, während germanische Mathematiker die Bedeutung der Zahl Null entdeckten.

Allerdings weht durch die Gassen der historischen Altstadt Plastikmüll und Uringeruch statt des Hauchs der Historie. Daran wird auch die Gestaltungssatzung nichts ändern. Sie regelt nur, womit Häuser behängt oder was an ihre Fassaden geschraubt werden darf. Im Wesentlichen lässt das Papier sich auf den Satz eindampfen: Leuchtreklame und Lichterketten sind künftig verboten. Es sei denn, jemand wollte einen Automaten neben seiner Haustür an die Wand hängen. Dies wäre ausschließlich zulässig, wenn jener Automat in die Hauswand eingelassen wird. Auch dies regelt das Papier. Wer sich nicht an die neuen Vorschriften hält, kann zumindest theoretisch mit einer Geldbuße von bis zu 100 000 Euro zur Kasse gebeten werden.

Skepsis statt Wohlwollen

Im Ziel herrschte bei dessen Vorstellung im Bezirksbeirat erwartungsgemäß Einigkeit. Die Rettung des Rotlichtviertels gilt dort seit mehr als einem Jahrzehnt als oberstes Gebot. „Im Moment blinkt da alles“, sagte der Grünen-Sprecher Martin Ruoff. „Es kann nicht sein, dass wir an Barockhäusern jede Obi-Lichterkette zulassen“, meint die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle.

Allerdings mischte sich Skepsis in die Wohlwollensbekundungen für die hehre Absicht. „An meinem denkmalgeschützten Haus diskutiere ich mit den Ämtern sogar über Türknäufe“, sagte der Grünen-Stadtrat Jochen Stopper. Mithin müsse ein Verbot von Leuchtreklame zumindest an Baudenkmalen heute schon problemlos möglich sein. Zudem „kann ich mir vorstellen, dass wir wieder jahrelang mit der Analyse beschäftigt sind“.

Tatsächlich dürfen Hausbesitzer im Leonhardsviertel ohne Zustimmung der Denkmalschützer nicht einmal die Farbe aussuchen, in der sie ihre Flure tünchen wollen. Leuchtreklamen an ihren Fassaden sind heute schon verboten. Bis die Gestaltungssatzung beschlussreif ist, sollen zwar keine Jahre vergehen, aber immerhin 18 Monate. Ohnehin sei das Regelwerk „nur ein Baustein“, sagte Fuhrich, „ein städtebauliches Konzept wird folgen“.

Kommentar: Noch ein Papier

Im Leonhardsviertel sind Vorschriften Theorie. Die meisten Bordelle sind illegal. In einigen werden sogar die Brandschutzbestimmungen missachtet, und für Leuchtreklamen an Barockhäusern gilt: Sie sind heute schon verboten.

Warum ein weiteres Papier beschrieben werden muss, damit weitere Vorschriften missachtet werden können, verstehen nur Bürokraten. An Regeln fehlt es nicht, gerade zum Aussehen der Häuser. Bevor auch nur ein Treppenhaus gestrichen werden darf, kratzen Denkmalschützer Lackproben von der Wand, um den historisch korrekten Farbton zu ermitteln. Nur sind solche Regeln dort, wo Widerstand zu erwarten ist, in der Vergangenheit nicht durchgesetzt worden.

Vor 30 Jahren ist die Rettung der Altstadt im Rathaus zum Ziel erklärt worden. Das Leonhardsviertel braucht nicht neue Worte, sondern endlich Taten. Das gilt auch für den Gemeinderat. Ein Beleuchtungskonzept, mit dem das Rotlicht zwar nicht überstrahlt, aber doch gedimmt würde, liegt längst in der Schublade. Erfolg verspricht auch die Idee, die Leonhardstraße auf eine Ebene aufzupflastern, um sie zur tatsächlichen Fußgängerzone zu machen statt zur theoretischen. Ein paar Laternen und 80 Meter Straßenpflaster werden den Etat der Landeshauptstadt nicht kippen.