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Wer wegen einer Krankheit oder einem Notfall in der Familie eine Reise absagen muss, zahlt häufig teure Stornogebühren. Mit einer Reiserücktrittsversicherung kann man sich gegen solche Kosten absichern. Finanztest hat 128 Angebote für Reiseversicherungen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Kein Tarif ist sehr gut.

Stuttgart -

Für wen ist eine Reiserücktrittsversicherung sinnvoll?

Wer am Tag der Abreise in den Urlaub mit einer schweren Grippe aufwacht und zu Hause bleiben muss, bleibt auf 80 bis 100 Prozent des Reisepreises trotz Stornierung hängen. Bei zeitigeren Stornierungen sind die Kosten zwar geringen, Gebühren aber fallen immer an. „Deshalb gibt es keine Reisegruppe, für die eine solche Versicherung nicht sinnvoll ist“, sagt Eugénie Kowalski, Rechts-Redakteurin bei Finanztest. Insbesondere Frühbuchern, Senioren und Familien mit mehreren Kindern rät sie auf jeden Fall, eine Reiserücktrittsversicherung abzuschließen. Martina Brehme, Versicherungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, empfiehlt zudem, sich an der Höhe des Reisepreises zu orientieren. „Eine Busreise für 200 Euro kann man eher verschmerzen als eine teure Flugreise für vier Personen.“

Wie teuer ist eine Reiserücktrittsversicherung?

Das hängt von den Kosten der abgeschlossenen Reise ab. Bei einem Reisepreis von 500 Euro ist sie schon ab etwa 23 Euro zu haben. Für eine 1500 Euro teure Reise fallen etwa 50 Euro an.

Bei vielen Buchungen kann man eine Versicherung gleich mit der Reise zusammen abschließen. Ist das sinnvoll?

Mit einem Klick im Internet oder mit einem Besuch im Reisebüro gleich auch noch eine Reiserücktrittsversicherung abzuschließen, spart zwar Zeit. Die Experten von Finanztest raten dennoch davon ab. „Wenn man die Versicherung unabhängig bucht, hat man ein größeres Angebot an Bedingungen und Preisen“, sagt Eugénie Kowalski von Finanztest. Außerdem sollte man die Texte von Versicherungen grundsätzlich in Ruhe lesen und prüfen, ob man alle Klauseln versteht.

Ich habe meinen Sommerurlaub schon gebucht. Kann ich jetzt trotzdem noch eine Reiserücktrittsversicherung abschließen?

Ja. Wer kein Paket aus Urlaub und Versicherung abschließt, hat meist bis 30 Tage vor Abreise Zeit, sich einen Anbieter zu suchen.

Bei welchen Rücktritts-Gründen zahlt die Versicherung?

Das steht in den Vertragsbedingungen. „Tod, Unfall und unerwartet schwere Erkrankungen gehören zum Standard, Schwangerschaften, Impfunverträglichkeiten oder Arbeitslosigkeit eher nicht“, sagt Martina Brehme, Versicherungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Klausel „unerwartet schwere Erkrankungen“ wird von Finanztest allerdings kritisiert. „Die Definition, wann eine Krankheit nun unerwartet ist und wann schwer ist intransparent und überfordert die Kunden“, sagt Rechtsexpertin Eugénie Kowalski und nennt ein Beispiel: Eine Mittelohrentzündung kann für jemanden, der einen Tauch-Urlaub machen wollte, und wegen der Erkrankung nicht unter Wasser darf durchaus eine schwere Erkrankung sein. Auf einem Kreuzfahrtschiff dagegen schränkt sie den Reisenden weit weniger bei seiner Urlaubsgestaltung ein. Diese fehlende Transparenz führte dazu, dass Finanztest keiner der Versicherungen im Test das Qualitätsurteil „sehr gut“ gab. „Vor Abschluss eines Vertrages lohnt es sich deshalb auf jeden Fall, beim Versicherer nachzufragen, welche Definition genau hinter der Klausel steckt“, sagt Kowalski.

Wann zahlt die Versicherung nicht?

„Bei vorhersehbaren Absagegründen und bei fahrlässigem Verhalten“, sagt Versicherungsexpertin Martina Brehme. Insbesondere Senioren mit chronischen Krankheiten rufen häufig bei der Verbraucherzentrale an, weil die Versicherung bei einer Reiseabsage nicht zahlt. Deshalb rät Brehme älteren Reisenden, sich vor der Buchung einer teuren Fernreise die Reisetauglichkeit vom Hausarzt bescheinigen zu lassen. „Dann hat man es im Zweifelsfall schriftlich, dass beim Buchungszeitpunkt keine vorhersehbaren Krankheiten vorlagen“, sagt Brehme.

Worauf müssen gerade Senioren noch achten?

Manche Versicherungen schließen keine Verträge mit Reisenenden ab, die ein bestimmtes Alter überschritten haben. Andere erhöhen die Beiträge ab 65 oder 70 Jahren deutlich. „Das liegt daran, dass diese Altersgruppe einfach anfälliger ist, bei einer Reise tatsächlich auszufallen“, sagt Eugénie Kowalski.

Zahlt die Versicherung auch dann, wenn man bereits am Urlaubsort ist und krank wird?

Das kommt darauf an, ob man nur eine Reiserücktrittsversicherung oder ein Kombinationsangebot mit Reiseabbruchversicherung abgeschlossen hat. „Wir empfehlen so genannte Vollschutztarife“, sagt Rechts-Expertin Eugénie Kowalski.

Tarife mit Selbstbehalt sind günstiger. Zahlt sich das aus?

Finanztest rät davon ab, weil die Kunden in Tarifen mit Selbstbeteiligung einen Teil der Stornokosten selber tragen. „Oft liegt der Eigenanteil bei 20 Prozent, bei Stornogebühren von 2000 Euro sind das 400 Euro“, sagt Eugénie Kowalski von Finanztest. Die Unterschiede von Tarifen mit und ohne Selbstbehalt liegen dagegen bei nur etwa zehn Euro.

Kann man sich auch gegen Terroranschläge und Terrordrohungen absichern?

Sobald das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für ein Urlaubsziel herausgibt, liegt „höhere Gewalt“ vor und Kunden können kostenfrei stornieren – egal ob sie eine Reiserücktrittsversicherung haben oder nicht. Oft reichen einzelne Terroranschläge oder Terrordrohungen dafür jedoch nicht aus. Weshalb es inzwischen Reiserücktrittsversicherungen gibt (beispielsweise Europ Assistance), die anfallende Stornokosten auch dann erstatten, wenn sich zwei Wochen vor Reiseantritt in der Nähe des Urlaubsortes ein Terroranschlag ereignet.