Wer ein rechter Reichsbürger ist, besitzt auch die entsprechenden Papiere. Foto: dpa

Auch in Baden-Württemberg sind Anhänger der Reichsbürger-Idee schon durch Gewalttaten aufgefallen. Vor allem aber beschäftigen sie Gerichte und staatliche Stellen. Selbst Kleinstadtbürgermeister haben schon Albträume von Germanitien.

Stuttgart - Wer im jüngsten Jahresbericht des baden-württembergischen Landesverfassungsschutzes blättert, sucht vergeblich nach einem Satz zu den Reichsbürgern. Das heiße aber nicht, dass man die Bewegung unterschätzt habe, betont ein Sprecher der Behörde. „Wir haben die Szene im Blick“, – wenn auch nur in Teilen. Beobachtet würden momentan vor allem zwei Gruppen: die „Exilregierung Deutsches Reich“ und die „Reichsbewegung – Neue Gemeinschaft von Philosophen“, heißt es in einer Mitteilung des Landesverfassungsschutzes. Sie würden als verfassungsfeindlich eingestuft.

Andere Gruppierungen ordnet die Behörde eher dem Querulantentum zu. „Dass jemand die staatlichen Stellen beschäftigt, reicht als Anlass für eine Beobachtung nicht aus“, sagt der Sprecher. Deshalb gebe es auch keine Erkenntnisse über die Zahl der Anhängerschaft. Aus Sicht des Landesamtes handele es sich allerdings um Einzelpersonen. Anders als in den östlichen Bundesländern und in Bayern, wo am Mittwoch ein Reichsbürger einen Polizisten erschossen hat, spiele die Bewegung in Baden-Württemberg „quantitativ und qualitativ eine kleinere Rolle“.

Polizist wird mit dem Auto mitgeschleift

Allerdings streuen sie den Behörden mit ihren Anfragen und Eingaben gehörig Sand ins Getriebe. Fast zweimal die Woche erhalte er obskure Post von so genannten „Germaniten“, klagt der Bürgermeister von Marbach (Kreis Ludwigsburg), Jan Trost. Auch diese, im Jahr 2007 in Westerheim (Alb-Donau-Kreis) gegründete Vereinigung erkennt die Bundesrepublik nicht an. Freundliche Hinweise des Einwohnermeldeamts, den abgelaufenen Reisepass zu erneuern, würden mit obskuren juristischen Traktaten beantwortet, so Trost. Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Handlungen gebe es momentan aber nicht, sagt ein Sprecher der Polizei.

Doch auch in Baden-Württemberg zeigte sich bereits das Gewaltpotenzial der Bewegung. Im Mai verurteilte das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd einen Mann wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Haftstrafe von drei Monaten. In Korb schleifte ein „Reichsbürger“ im August einen Polizeibeamten bei einer Kontrolle einige Meter weit mit dem Auto mit. In Schorndorf wurde im Dezember 2015 ein „Reichsbürger“wegen der Leugnung des Holocaust verurteilt.

Mit dem Messer ins Amtsgericht

Der Göppinger Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Rometsch kann vor allem von einem regen Briefverkehr berichten. Erst vor zwei Tagen habe er von einem „Reichsbürger“ einen „Staatsvertrag zwischen den Königreichen Sachsen und Württemberg“ zugeschickt bekommen. „So etwas hefte ich ungesehen ab.“ Vor mehreren Jahren stand ein selbsternannter Reichsfinanzminister wegen Betrugs vor dem Göppinger Amtsgericht. Die halbe „Reichsregierung“ saß im Zuschauerraum. Allerdings bleibe es nicht immer bei solchen Kuriositäten. Ein Mann wird inzwischen im Gerichtsgebäude regelmäßig durchsucht, nachdem er dort mit einem Messer herumgefuchtelt hatte. „Nach dem Vorfall von Geogensgmünd sieht man so etwas noch einmal mit anderen Augen“, sagte Rometsch.

Die Stadt Stuttgart schlägt zurück

Auch im Stuttgarter Rathaus ist die Reichsbürgerbewegung gut bekannt. „Wir sind gerade dabei, für unsere Ämter eine Handreichung zu erstellen“, sagt Hermann Karpf vom Amt für öffentliche Ordnung. Berechtigte Anliegen würden geprüft, auf Diskussionen über die staatliche Legitimation dürfe man sich aber nicht einlassen. „Das führt zu nichts.“ Auch der Sicherheitsaspekt spiele zunehmend eine Rolle. So seien erst kürzlich Personen im Stadtmessungsamt aufgetaucht und hätten aggressiv und drohend, Grundbuchauszüge aus den 1930er Jahren gefordert. „Da muss man vom Hausrecht Gebrauch machen.“ Die Kfz-Zulassungsbehörde hat es allerdings schon geschafft, ihrerseits einen Reichsbürger zu ärgern. Der Mann hatte das Euro-Signet auf dem Kennzeichen mit einer Deutschen Reichsflagge überklebt. Die Zulassungsstelle entzog daraufhin die Betriebserlaubnis. Der Streit ging bis vor den Verwaltungsgerichtshof, wo die Stadt siegte. In der real existierenden Bundesrepublik darf er so nicht mehr fahren.