Eine Organverpflanzung ist die Hoffnung vieler Nieren- und Leberkranken. Foto: dpa-Zentralbild

Der Gesetzgeber bereitet ein zentrales Transplantationsregister vor. Nicht alle sind damit zufrieden.

Stuttgart - Spenderorgane sind ein wertvolles Gut. Es stehen nur wenige für eine Transplantation zur Verfügung und die Zahlen der bundesweiten Organspender im ersten Quartals 2016 zeigt, dass das Misstrauen nach den Skandalen der letzten Jahre noch tief sitzt. Es waren 209, weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (242) und etwas mehr als 2014 (204). Bei wem beispielsweise eine gespendete Niere oder Leber am sinnvollsten eingesetzt wird, welcher Empfänger zu welchem Spenderorgan am besten passt – auf solche Fragen könnte die Wissenschaft mit Hilfe des geplanten, zentralen Transplantationsregister langfristig Antworten finden. Nach dem Kabinettsbeschluss im März ist der Gesetzentwurf für seine Einrichtung am Donnerstag vom Bundestag in erster Lesung behandelt worden. Erstmals sollen bundesweit die Daten gesammelt werden von der Organentnahme bis hin zur Nachbetreuung nach einer Transplantation. Eine Registerstelle mit sechs Mitarbeitern soll vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und Ärztekammern eingerichtet werden.

Transplantationsmediziner fordern das Register seit langem, aber vielen greift der Entwurf zu kurz. Ein „gravierendes Defizit“, stellt Wulf-Dietrich Leber, der Krankenhausreferent der GKV fest: die Spender- und Empfängerdaten dürfen nicht zusammengeführt werden. Außerdem werde für die Datenerhebung die ausdrückliche Zustimmung von Lebendspendern und Organempfängern verlangt – also Freiwilligkeit. Überdies sollen Altdaten nicht verwendet werden. All dies führe dazu, „dass das Register in den nächsten zehn Jahren keine relevanten Daten liefern wird“, sagt Leber. Die Fallzahlen seien zudem extrem klein, schon wenige fehlende Daten könnten die Ergebnisse verfälschen. Werden Privatpatienten mit „besseren Organen“ versorgt? Die Frage würde Leber interessieren, sie wird sicher nicht beantwortet.

Die ethischen Fragen löst das Register nicht

Die ethischen Fragen rund um die Transplantationsmedizin wird das Register nicht lösen. Vor einem Jahr hat die Leopoldina, die Nationale Akademie der Wissenschaften, in einem Positionspapier eine grundlegende Reorganisation des Transplantationswesens verlangt und die Entscheidungsverlagerung aus den Gremien der Bundesärztekammer (BÄK) hin zu „staatlichen Stellen auf Bundesebene“ angemahnt. So ist es aus Sicht der Leopoldina ein verfassungsrechtliches Problem, dass die BÄK Alkoholikern lange Alkoholkarenzzeiten vorschreibt, bevor sie eine Spenderleber erhalten. Das Leopoldina-Mitglied Jörg Rüdiger Siewert, Direktor der Uni-Klinik Freiburg, hatte daraufhin in der FAZ gewünscht, dass sich zur Frage der Dringlichkeit auf den Wartelisten, diesen „Lebensentscheidungen“, „auch einmal das Parlament artikulieren müsste“. So treibt die Mediziner die Frage um, wie die entscheidenden Parameter Dringlichkeit und Erfolgsaussicht genauer zu definieren sind: Sollen diejenigen transplantiert werden, die mit dem neuen Organ eine längere Lebensdauer erhalten werden, oder die wirklich Todkranken, denen auch mit dem neuen Organ nur noch ein halbes oder ein Jahr zur Verfügung steht?

Die zentrale Frage der Verteilungsgerechtigkeit werde vom Bundestag leider nicht beantwortet, sagt Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz. Er geht davon aus, dass sich das Pendel auf lange Sicht nach der Einführung des Registers in Richtung „Erfolgsaussicht“ neigen werde: Dass also Schwerkranke ein Organ erhalten, mit dem sie länger leben können.

Guter Datenschutz hilft dem Vertrauen in der Bevölkerung

Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation, will in das Heer der Kritiker nicht einstimmen: Das neue Register erfülle die „höchsten datenschutzrechtlichen Vorgaben“, und das sei wichtig um das Vertrauen in der Bevölkerung zu gewinnen, sagte er unserer Zeitung. „Mit Hilfe des Registers werden wir in Zukunft die Umsetzung medizinischer und ethischer Vorgaben – zum Beispiel bei den Verteilungsregeln – wissenschaftlich begleiten können.“ Es sei ein Baustein für „Transparenz und Sicherheit“ bei den Organspenden.