Valeska Grisebach hat nichts dagegen, zur Berliner Schule des deutschen Kinos gerechnet zu werden. Foto: Iris Janke

Die Filmregisseurin Valeska Grisebach gehört zur so genannten Berliner Schule. Im Interview erklärt sie, was von solchen Etiketten zu halten ist, wovon ihr neuer Film „Western“ handelt und warum er in Bulgarien spielt.

Stuttgart - Die Regisseurin Valeska Grisebach wehrt sich nicht dagegen, der Berliner Schule zugerechnet zu werden. Aber die ist flexibel genug, dass sie in „Western“, der am Donnerstag in den Kinos startet, von deutschen Arbeitern in Bulgariens hinterster Pampa erzählen kann.,

Frau Grisebach, Ihr Film „Western“ ist in Cannes gefeiert worden. Zuvor hatte Maren Ade, die „Western“ produziert hat, großen internationalen Erfolg mit „Tony Erdmann“. Wird der deutsche Film international wieder mehr geschätzt?
Ich habe schon seit mehreren Jahren den Eindruck, dass sich viele Leute im Ausland mit dem deutschen Kino sehr gut auskennen und ihm viel positiver gegenüberstehen, als das in Deutschland der Fall ist. Es gibt ja dieses Label „Berliner Schule“. Im Ausland ist das eine große Sache. Hier fand man das früher toll, mittlerweile scheint man damit aber nicht mehr viel zu tun haben zu wollen.
Man spricht von einer Krise des deutschen Films . . .
Ein Dauerbrenner! Ich finde das eher befremdlich, wenn man in Deutschland versucht, die Filmszene in Gruppen einzuteilen. Man sollte diese Unterschiedlichkeit wertschätzen. Es gibt einen tollen Mainstream genauso wie schöne sperrige Filme.
Das Etikett Berliner Schule wird auch Ihren Filmen zugeschrieben. Passt das für Sie?
Wir Filmemacher haben uns das nicht ausgedacht, jemand hat diesen Begriff ins Spiel gebracht. Wir fanden es interessant, weil wir wahrgenommen wurden. Aber das waren damals Leute, die ihren ersten oder zweiten Film gemacht haben. Der Begriff Berliner Schule hat für mich einen Moment bezeichnet, das kann ich wertschätzen.
Es heißt, Sie hätten als Kind gern Western geschaut. Gab es einen bestimmten Western, der Sie geprägt hat?
Ich schätze die Western aus den dreißiger, vierziger und fünfziger Jahren. Da wurde das Genre noch nicht so unverblümt demontiert. Die Ambivalenz der männlichen Figuren finde ich interessant, die auf der Suche nach Freiheit und Unabhängigkeit sind und am Rand der Gesellschaft manövrieren, andererseits diese Sehnsucht haben, einfach nur nach Hause zu kommen.
Es sind also keine klassischen, sondern gebrochene Helden, die Sie interessieren?
Absolut! Das ist das Spannende am Genre. Einerseits wollen die Figuren raus aus der Gesellschaft, werden aber immer wieder aufgefordert, sich zu integrieren. Da gibt es diesen Horizont von Fernweh und Abenteuerlust, aber auch die Sehnsucht nach dem Zuhause, der Frau, dem bürgerlichen Leben. Natürlich ist der Western ein typisch amerikanisches Genre, aber eines, das auch wir Europäer in uns tragen.