Naomi Watts als Prinzessin Diana. Foto: Verleih

Dass Prinzessin Diana erst 16 Jahre nach ihrem Tod Stoff für einen Kinofilm wird, wundert ein wenig. Noch mehr vielleicht, dass sich mit Oliver Hirschbiegel ein Deutscher daran versucht hat – und die Briten hassen ihn dafür.

Dass Prinzessin Diana erst 16 Jahre nach ihrem Tod Stoff für einen Kinofilm wird, wundert ein wenig. Noch mehr vielleicht, dass sich mit Oliver Hirschbiegel ein Deutscher daran versucht hat – und die Briten hassen ihn dafür.

Stuttgart - Mit seinem ersten Kinofilm „Das Experiment“ erregte der in Hamburg geborene Regisseur Oliver Hirschbiegel (56) internationale Aufmerksamkeit. Sein kontrovers diskutiertes Kriegsdrama „Der Untergang“ über Hitlers Ende wurde für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert. Nun setzt sich Hirschbiegel in „Diana“ mit den letzten Jahren im Leben der Prinzessin von Wales auseinander. Er konzentriert sich auf Dianas Beziehung zu dem pakistanisch-britischen Arzt Hasnat Khan. Wir trafen Oliver Hirschbiegel auf dem Filmfestival Zürich zum Gespräch.

Herr Hirschbiegel, wie wurde Ihre Neugier auf diesen Stoff geweckt?
Ich wusste sehr wenig über Diana und bekam plötzlich Informationen, die mich sehr überrascht haben. Ich erfuhr erstmals von dieser Liebesgeschichte, die so universell ist, als hätte sie ein Autor ausgedacht: Eine britische Prinzessin verliebt sich in einen „Normalsterblichen“, noch dazu in einen Pakistani. Diese wahre Liebesgeschichte war mein Zugang. Würde ich sie mit einer Wahrhaftigkeit erzählen können, dann hätte das auch im Sinne von Diana eine Berechtigung. Ich wollte möglichst nah an die wirklichen Ereignisse herankommen. Und wenn man einmal nicht weiß, wie es wirklich war, wollte ich die Begebenheiten zumindest im Geiste dieser Figuren darstellen. Es ist immer mein Ansatz, nicht zu lügen und nicht in einer Weise mit dem Zuschauer zu spielen, dass das Resultat unaufrichtig wird.
Was im Film ist Fakt, was ist Fiktion?
Die sehr intimen Szenen zu zweit im Palast oder in Hasnats Apartment basieren auf Beschreibungen von Freunden, Verwandten, aber auch auf Hasnat Khans eigenen Angaben bei den Untersuchungen durch Scotland Yard. Es gibt seitenlange Vernehmungsprotokolle. Den Rest muss man dazuerfinden, aber irgendwann entwickelt man ein Gefühl für die Figuren. Man spürt, ob etwas stimmig ist oder nicht. Die Briten haben uns unter anderem vorgeworfen, dass Dianas Sprache im Film billig und seltsam naiv sei. Dabei lassen wir sie nur sprechen, wie sie wirklich gesprochen hat. Das ist doch kein Geheimnis, man muss sich nur ihre Interviews anschauen. Ich glaube, wir bewegen uns schon sehr dicht an der Wahrheit.
Welche Vorurteile über Diana mussten Sie über Bord werfen?
Ich hatte das Vorurteil, dass sie ein naives, junges Ding war, das kokett mit der Presse gespielt hat. Ich habe dann schnell gemerkt, dass das nur bedingt der Wahrheit entsprach. Je tiefer ich in die Figur vordrang, umso mehr habe ich einen hochkomplexen Charakter ausfindig gemacht. Diana war sicher keine Intellektuelle, aber eine unglaublich gescheite, fixe Person mit einem außerordentlichen Sinn für – manchmal deftigen – Humor. Ihre tiefsitzende Spiritualität hat mich überrascht. Man trifft sie nur selten bei Menschen an, Gandhi fällt mir noch als Beispiel ein. Auch er hat eine Energie ausgestrahlt, die weltweit funktioniert hat, selbst wenn die Menschen nur sein Bild gesehen oder von ihm gehört haben. Gandhi ging es um den friedlichen Weg. Und je mehr ich mich mit Diana beschäftigt habe, umso mehr fiel mir diese heilende Energie auf. Sie war voller Liebe. Das war das Letzte, was ich erwartet hätte. Gleichzeitig war sie natürlich ein berühmter Star mit einem sicheren Instinkt im Umgang mit Presse und Fotografen. Es wurde immer gesagt, dass sie die Presse manipuliert, aber das ist Unsinn. Ein Star manipuliert die Presse nicht. Er betritt einen Raum und strahlt eine Energie aus, die sofort den Sauerstoff ansaugt. Diana hat das gehabt, wahrscheinlich mehr als die meisten anderen.
Mussten Sie Hauptdarstellerin Naomi Watts Unsicherheiten nehmen?
Naomi ist schon eine Ausnahmeschauspielerin. Sie hat ihre Hausaufgaben zu hundert Prozent und mehr gemacht. Das Prinzip des Schauspielers ist, unabhängig von der Rolle, die er spielt, immer Unsicherheit. Dafür sind wir ja da, dazu brauchen sie uns. Ein Regisseur muss dem Schauspieler das Gefühl einer Geborgenheit vermitteln, in der er sich völlig öffnen kann.
Sehen Sie Ihren Film als mögliche Ergänzung zu Stephen Frears „The Queen“?
In meinem Film schwingt all die Traurigkeit und Verlorenheit, die Melancholie dieses Lebens mit. Es kann kein Happy End geben, während Stephen am Ende des Tages ein eher positives, versöhnliches Bild von der königlichen Familie zeichnet. Das tue ich nicht, weil ohnehin schon gern vergessen wird, wie sehr Diana unter den Zuständen gelitten hat, in die sie sich „hineingeraten lassen hat“. Sie liebte einen Mann und wurde dann ohne jede Vorbereitung in diese Situation hineingeworfen. Diana wurde plötzlich von der Welt mehr verehrt als ihr Mann. Ich möchte gar nicht wissen, was das in der Beziehung an Konflikten ausgelöst hat. Und nach Jahren merkt sie dann, dass sie pausenlos betrogen wurde, mit dem Wissen und der Hilfe all der Freunde von Charles. Sie selbst hat nie Hilfe vom Palast erfahren. Das muss so verletzend gewesen sein. Diana war ein schwer verletzter Mensch. Jedes Foto, das ich sehe, kündet davon. Für Leute, die das nötige Grundwissen mitbringen, könnten diese beiden Filme aber durchaus eine reizvolle Kombination darstellen.
In Großbritannien stießen Sie mit Ihrem Film auf Skepsis.
Das ist wohl ein bisschen untertrieben. Sie hassen den Film.
Eine Tageszeitung aus der Schweiz titelte: „Bridget Jones ohne Humor“ und wagte den Vergleich zwischen „Der Untergang“ und „Diana“. Wie geht man mit solchen Schlagzeilen um?
Was soll ich denn dazu sagen? Ich hätte Hitler auch als Stepptänzer darstellen können. Ich habe mich entschlossen, ihn so zu zeigen, wie er meines Erachtens – basierend auf umfangreichen Recherchen – war. Und Diana hat nicht wie eine Intellektuelle gesprochen. Ihre Dialoge waren, wenn man so will und das etwas Schlechtes sein soll, „Bridget Jones“-Dialoge. Es steckte immer viel Melodrama in ihr. Das hat aber nichts mit dem Kern dieser Figur zu tun. Da ist diese junge Frau, die völlig im Einklang mit der britischen Tradition nie eine nennenswerte Ausbildung genossen hat. Und dementsprechend hat sie auch kommuniziert. Wenn es einem Kritiker nicht gefällt, dann kann ich ihm nicht helfen. Es wäre eine Lüge und eine unfaire Überinterpretation gewesen, es anders darzustellen.
Sie zeigen zu Beginn und gegen Ende des Filmes, wie Diana auf ihrem letzten Weg aus dem Pariser Hotel kurz innehält und sich noch einmal umschaut. Ist dieser Moment der Vorahnung verbürgt?
Nein, das ist meine Interpretation. Ich habe während der Recherchen festgestellt, dass sie sowohl ihre Handtasche als auch ihr Handy im Hotel zurückgelassen hat. Vorher hatte sie im Gespräch mit Freunden die Vorahnung geäußert, dass sie nicht alt werden würde. Sie war eben dieser Energie-Mensch. Es war fast so, als hätte sie gewusst, dass sie diese Dinge nicht mehr braucht, dass ihr Leben hinter ihr liegt. Sie hat alles erreicht, letztendlich hat sie auch die Liebe erfahren. Ich hatte irgendwann dieses Bild im Kopf und wusste, dass ich das da reinbringen muss. Es war nicht nur ein simpler Unfall, es schwang irgendetwas Überhöhtes mit, das wir bis heute spüren.