Bombardier hat Lieferprobleme. Produktion von Doppelstockwagen im Werk Bautzen. Foto: dpa

Weil Zughersteller Lieferprobleme haben, erhält die Deutsche Bahn bestellte Regionalzüge bis zu drei Jahre später als vereinbart. Deshalb muss die Bahn mit Ersatzlösungen arbeiten. Dies verursacht hohe Belastungen.

Berlin - Die Deutsche Bahn AG rechnet mit hohen Kosten von rund 100 Millionen Euro wegen der verspäteten Lieferung von neuen Regionalzügen. Das ergibt sich aus internen Papieren für den Aufsichtsrat des größten Staatskonzerns, die unserer Zeitung vorliegen. Demnach gleicht der Schadenersatz der Hersteller nur einen Teil der Mehrbelastungen aus. Reisende und Pendler müssen in zahlreichen Regionen wie dem Allgäu, dem Sauerland und Hessen jahrelang weiter mit älteren Zügen fahren, weil die neuen Fahrzeuge fehlen.

Mit Ersatzkonzepten versuche man, die Einschränkungen für die Fahrgäste gering zu halten und dennoch „so viel Komfort wie möglich“ zu bieten, erklärte eine Bahn-Sprecherin. Bedauerlicherweise komme es immer wieder zu Lieferverzögerungen.

Die verspäteten Lieferungen machen der Bahn zu schaffen

Aus den internen Papieren geht im Detail hervor, wie sehr die verspäteten Auslieferungen dem Konzern zu schaffen machen. Nach aktuellem Stand gibt es demnach bereits bei neun von insgesamt 21 Verträgen für neue Züge Verzögerungen. Bei weiteren fünf Verträgen gelten die Lieferfristen als gefährdet. Unterm Strich werden also von der DB zwei Drittel aller Regionalzug-Bestellverträge mit der Bahnindustrie als problematisch eingestuft. „Das ist eine sehr unerfreuliche Entwicklung“, sagte ein Aufsichtsrat des Konzerns unserer Zeitung. Bei der nächsten Sitzung des Kontrollgremiums Mitte Dezember sollen auch diese Probleme beraten werden. Allein in den Jahren 2018 bis 2021 werden die Ersatzkonzepte bei der DB Regio einen Mehraufwand von 91 Millionen Euro verursachen. Als Schadenersatz aus Vergleichen mit den verantwortlichen Herstellern erwartet die Bahn dagegen in diesem und im nächsten Jahr lediglich 38 Millionen Euro.

Weil Züge fehlen, müssen Vertragsstrafen gezahlt werden

Weil Züge fehlen und Ersatzlösungen notwendig sind, muss die Bahn hohe Vertragsstrafen an die Zweckverbände von Ländern und Kommunen bezahlen, die Aufträge für den Regionalverkehr vergeben. Allein bis 2021 erwartet der Konzern „sehr wahrscheinliche“ Strafen von 52 Millionen Euro. Nur zehn Millionen Euro davon bekommt die Bahn nach aktueller Einschätzung von den Lieferanten ersetzt, die für die Probleme verantwortlich sind.

Größtes Problem bleiben die Doppelstockwagen von Bombardier Transportation (BT), von denen die DB zwischen 2011 und 2014 insgesamt 346 Stück für rund 750 Millionen Euro bestellt hat. Schon Ende 2013 räumte BT ein, dass die Lieferfristen nicht zu halten seien. Seit 2015 wurden 180 Mittelwagen ausgeliefert, die zugehörigen Triebwagen bekommt die DB aber erst seit diesem Herbst. Der vormals weltgrößte Bahnhersteller BT steckt seit Jahren wegen Lieferverzugs und Qualitätsmängeln in großen Problemen und streicht allein in den sieben deutschen Werken ein Viertel der noch 8500 Stellen bis Ende 2019. Laut den internen DB-Papieren gibt es bei 150 bestellten Fahrzeugen inzwischen 36 Monate Verspätung. Statt Ende 2014 sollen die ersten Züge nun in diesem Dezember starten. Die Bahn und BT haben sich auf Schadenersatz in einem außergerichtlichen Vergleich verständigt.

Die Erfahrungen mit neuen Lieferanten aus dem Osten sind ernüchternd

Wegen der Liefer- und Qualitätsprobleme auch bei anderen etablierten Herstellern wie Siemens und Alstom hatte die Bahn vor einigen Jahren erstmals auch im Ausland neue Regionalzüge bestellt. Doch die Erfahrungen sind bisher äußerst ernüchternd. So bekam das polnische Unternehmen Pesa Bydgosczc SA im September 2013 einen Rahmenvertrag über 470 Dieseltriebzüge des Modells Link für rund eine Milliarde Euro. Die ersten 72 Züge sollten ab Juni 2016 geliefert werden, kommen nun aber frühestens ab Oktober 2018, also mit 28 Monaten Verzug.

Man werde Schadenersatzforderungen an Pesa nach Auslieferung der Züge prüfen, sagte eine DB-Sprecherin auf Anfrage. In den internen Papieren des Unternehmens heißt es, Forderungen an Hersteller würden „innerhalb der finanziellen Leistungsfähigkeit des Lieferanten“ sichergestellt. Zudem würden Verträge und Spezifikationen angepasst und die Fertigung beim Hersteller eng begleitet. Dazu gehörten „eng getaktete Abnahmetermine“, so eine Sprecherin der Bahn.

Auch der tschechische Hersteller Skoda hat die Bahn bisher enttäuscht. 2013 wurde die Lieferung von sechs Loks mit je sechs Wagen für rund 100 Millionen Euro vereinbart, die im Herbst 2016 kommen sollten. Die Lieferung wird jetzt erst im Dezember 2018 erwartet, mit mehr als zwei Jahren Verzug. Die Bahn betont, man werde auch gegenüber Skoda „Schadenersatzforderungen geltend machen“.