Solche Züge im Landesdesign verkehren ab 2019 auf den Stuttgarter Netzen Foto: Verkehrsministerium

Bei der Vergabe der so genannten Stuttgarter Netze ist die DB Regio überraschend leer ausgegangen. Alle drei Lose gingen an andere Bieter. Bis spätestens 2020 verkehren auf den Strecken hochmoderne Züge.

Stuttgart - Bei der DB Regio herrscht seit Dienstagmittag dicke Luft: Durch einen formalen Fehler hat sich das Unternehmen um den Zuschlag für die heiß begehrten Stuttgarter Lose im Schienenpersonennahverkehr gebracht. Um völlig sicher zu gehen, dass die Bahn als Bieter ausgeschieden werden muss, hat Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) eigene Juristen befragt, die landeseigene Nahverkehrsgesellschaft, die Beratergesellschaft und eine beratende Kanzlei.

Bislang bedient die DB Regio alle Strecken. Mit dem Großen Verkehrsvertrag – ausgehandelt noch unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung – erwarb sie sich das Monopol. Das missfällt der grün-roten Koalition schon lange. Weil der Große Verkehrsvertrag 2016 ausläuft, entschied sich Hermann, einen Wettbewerb unter den Bietern zu ermöglichen – um mehr Qualität für weniger Geld zu bekommen. In einigen Netzen sind die Vergaben bereits gelaufen – und durchweg spart das Land Geld. In den neuen Verträgen für einige Umland-Strecken konnte sie den Preis für den Bahnkilometer, der bislang bei 11,69 Euro liegt, auf durchschnittlich rund acht Euro senken.

Mit großer Spannung erwartet wurde nun, wie es bei den heiß begehrten Stuttgarter Netzen ausgehen würde. Zumal das Land eine Loslimitierung eingeführt hatte, die besagt, dass ein Unternehmen maximal zwei Lose bekommen kann, das dritte an einen weiteren Bieter fallen muss.

Kosten für das Land halbieren sich

Das Ergebnis bezeichnete der Verkehrsminister am Montag als „sensationell gut“. Denn künftig muss das Land einen Betrag von unter sechs Euro für den Bahnkilometer hinblättern und damit nur etwa die Hälfte von der bisherigen Summe. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bescheinigte Hermann eine sehr „solide Arbeit“ und „eine erhebliche Verbesserung“: „Der Wettbewerb hat funktioniert.“ Hermann selbst sagte: „Wir haben das Verfahren hochprofessionell durchgezogen. Jeder Euro an Kosten dafür hat sich mehrfach ausgezahlt.“

Insgesamt beteiligten sich an den Verfahren sieben Bieter, für jedes Los mindestens fünf. Den Zuschlag erhalten nun die beiden Bahnunternehmen Go-Ahead und Abellio. Die Abellio Rail Südwest GmbH gehört zu den niederländischen Stadtbahnen. Sie hat zur Zeit rund 200 Mitarbeiter, bis zum Ablauf des Großen Verkehrsvertrag sollen es 260 sein. Abellio betreibt künftig das Los 1a (Neckartal) auf den Strecken Stuttgart–Mühlacker-Bruchsal/Pforzheim, Stuttgart–Heilbronn–Mannheim/Osterburken sowie Stuttgart–Plochingen–Tübingen. Die Go-Ahead Verkehrsgesellschaft Deutschland Gmbh wurde 2014 in Berlin gegründet. Sie ist eine Tochter der britischen Go-Ahead Gruppe. Auch dieses Unternehmen hat rund 200 Mitarbeiter. Go-Ahead wird künftig das Los 2 (Rems-Fils) und das Los 3 (Franken-Enz) bedienen. Rems-Fils umfasst die Strecken Stuttgart–Aalen–Crailsheim und Stuttgart–Geislingen (Steige)–Ulm. Zu Franken-Enz gehören die Strecken Stuttgart–Aalen, Stuttgart–Karlsruhe und Stuttgart–Heilbronn–Lauda–Würzburg.

Beide Unternehmen haben sich durch ihr Gebot dazu verpflichtet, Wartungsmöglichkeiten für ihre Fahrzeuge im Land zu haben oder zu schaffen. Alternativ könnten sie allerdings die Wagen auch bei der Bahn warten lassen – falls diese Kapazitäten hat. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums betonte am Montag, die Beschäftigen der DB Regio müssten sich keine Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen, da auch die neuen Betreiber neue Mitarbeiter für die Stuttgarter Netze benötigten. Alle drei Lose mit zusammen 14,8 Millionen Zugkilometern sollen im Zeitraum von Juni 2019 bis Dezember 2020 in Betrieb gehen.

Fehler der Bahn: Zu große Kostendifferenz

Bis dahin wurden und werden Übergangsverträge abgeschlossen. Elf von 17 Losen im Land sind bereits vergeben – alle elf gingen an die DB Regio, die dazu mitteilt: „Von den derzeit mehr als 400 im Land eingesetzten n-Wagen, im Volksmund auch Silberlinge genannt, werden Ende 2016 nur noch rund 120 übrig bleiben. Bis Dezember 2018 soll diese Zahl auf unter 50 schrumpfen.“ Möglich werde dies, weil ab Oktober 2016 nach und nach 150 zusätzliche Doppelstockwagen aus anderen Regionen Deutschlands nach Baden-Württemberg überführt werden könnten. „Damit können wir die Remsbahn und die Verkehre im Rheintal weitgehend auf Doppelstockwagen umstellen“, so Andreas Moschinski-Wald, Vorsitzender der Regionalleitung.

Ohne den formalen Fehler hätte die DB Regio auch den Zuschlag im Hauptvergabeverfahren für zwei der drei Lose erhalten. Sie gab ein um wenige Cent günstigeres Angebot ab als Go-Ahead und Abellio. Laut Hermann hat das Angebot der DB Regio den Fehler, dass die Kosten des ersten Jahres um 11,5 Prozent über denen des Folgejahres liegen. Dies Differenz sei laut Ausschreibung jedoch ausdrücklich auf zehn Prozent gedeckelt gewesen. Hintergrund ist, dass das Land die zum Ausgleich der Kosten nötigen Regionalisierungsmittel vom Bund jährlich erhält. Die Zuschläge an Abellio und Go-Ahead werden nach der Widerspruchsfrist von zehn Tagen erteilt.