Neuartige Metropol-Expresszüge sollen die alten Regionalexpresszüge von 2018 an ablösen Foto: dpa

Wenn der Bund, wie von Finanzminister Schäuble vorgesehen, 2015 die Regionalisierungsmittel einfriert, muss das Land einspringen – oder Nahverkehrszüge abbestellen. Verkehrsminister Winfried Hermann will es womöglich darauf ankommen lassen – und diese Linien provokant Schäuble-Züge taufen.

Stuttgart - Dieses Jahr erhält das Land 760 Millionen Euro Regionalisierungsmittel vom Bund für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Die Zuständigkeit des Landes wurde 1994 als Teil der Bahnreform vereinbart. Weil die Kosten gestiegen sind, wurden die Regionalisierungsmittel seit Jahren dynamisiert – sie wurden jährlich um 1,5 Prozent aufgestockt.

Doch 2014 läuft der Vertrag zwischen Bund und Ländern aus. Jetzt werden die Karten neu gemischt. Die Länder haben sich gemeinsam und einstimmig auf einen neuen Verteilerschlüssel geeinigt. Sie verlangen vom Bund aber künftig auch 8,5 Milliarden Euro jährlich statt bisher 7,4 Milliarden und zudem eine jährliche Aufstockung um zwei Prozent. Diese Forderungen seien durch ein Gutachten gedeckt, sagt Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

Der Bund argumentiert ganz anders: Die Regionalisierungsmittel seien Teil der Bund-Länder-Finanzbeziehung und müssten in diesem Zusammenhang beraten und vereinbart werden. Deshalb würden sie 2015 erst einmal auf dem Stand von 2014 eingefroren. Der Haushaltsausschuss hat dieses Prozedere bereits abgesegnet.

Für den Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Grüne) aus dem Wahlkreis Nürtingen/Filder ist das nicht nachvollziehbar: Weil der Bund 2015 die Dynamisierung streiche, sei das faktisch sogar eine Kürzung der Mittel. Das könne dazu führen, dass Züge abbestellt werden müssten, der Takt ausgedünnt oder nachts weniger gefahren werde. In Baden-Württemberg reichen die Regionalisierungsmittel ohnehin nicht mehr aus. Das Land buttert dieses Jahr zu den 760 Millionen Euro vom Bund noch 84 Millionen zu. Das liegt an der vergleichsweise guten Ausstattung des Landes im SPNV mit kurzen Taktintervallen und langen Fahrzeiten. Ob der Landtag aber noch mehr Geld bewilligen würde, ist fraglich.

Verkehrsminister Hermann hofft, dass es sich der Bund doch noch überlegt. Vier Bundesländer haben einen gemeinsamen Vorstoß im Bundesrat gestartet. Und der Bundestag berät nächste und übernächste Woche noch weiter über den Haushalt. Winfried Hermann wundert sich, dass sich sein Kollege im Bund, Alexander Dobrindt (CSU), nicht dafür einsetze, dass die Länder ihren SPNV aufrechterhalten können. Ministerpräsident Kretschmann will das Thema erneut auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ansprechen.

„Wenn Schäuble dennoch hart bleibt, könnten unsere Pläne Makulatur sein“, sagte Hermann jetzt. Gemeint ist die Modernisierung des Bahnnetzes nach Ablauf des sogenannten Großen Verkehrsvertrags 2016 mit der Bahn. Die Netze mit insgesamt 40 Millionen Zugkilometer Fahrleistung werden zurzeit sukzessive neu ausgeschrieben. Dazu zählen auch die Stuttgarter Netze mit 15 Millionen Zugkilometern.

Sie sind die Vorstufe zum sogenannten Metropolexpress-Konzept, das Minister Hermann jetzt vorgestellt hat und das von Dezember 2018 an stufenweise in Betrieb gehen soll. Dann soll „eine neue Zugkategorie der Metropolexpress-Züge“ auf den Bahnlinien durch Stuttgart durchgängig im Halbstundentakt verkehren: Auf den Linien nach Pforzheim, Heilbronn, Schwäbisch Hall, Aalen, Geislingen, Tübingen und Horb. Im ländlichen Raum halten die Züge an allen Stationen. Im inneren Bereich dagegen, wo auch die S-Bahn fährt, legen die Züge nur noch wenige Stopps ein und sind schneller unterwegs. Ins weitere Umland – nach Freudenstadt, Bruchsal, Mannheim, Osterburken, Crailsheim, Ellwangen und Ulm – geht es im Stundentakt. Die präzise Taktung sei ein Merkmal der neuen Netze, so Hermann.

Wer die Netze künftig betreibt, ist noch unklar. Die Bahn wird durch die Loslimitierung, die das Land einführt, ihre Monopolstellung verlieren. Auf die Stuttgarter Netze, so Hermann, hätten sich gut eine Handvoll Anbieter beworben. Das Land will durch die Ausschreibung den Wettbewerb fördern und so günstigere Konditionen als bisher erzielen.

Die Opposition übt daran scharfe Kritik. Nicole Razavi, verkehrspolitische Sprecherin der CDU, erwartet die Inbetriebnahme erst 2019: „Das zwingt das Land zu Übergangsverträgen, in denen es keine neuen Fahrzeuge geben wird.“ Es sei zwar richtig, dass die Regionalisierungsmittel steigen müssten. Das Land sei dennoch darauf angewiesen, im Wettbewerb beste Leistungen zu besten Preisen zu erzielen. Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jochen Haußmann, moniert „Hermanns Drang zu Selbstverwirklichung“, der ihm wichtiger sei als größtmögliche Effizienz. Hermann winke lieber „mit dreieinhalb Milliarden Euro Landesgeldern als exklusive Finanzierungshilfe für Konkurrenten der Deutschen Bahn“.

Der Minister kontert diesen Vorwurf und weist darauf hin, dass bisher allein die Bahn staatliche Subventionen erhält, was zu Wettbewerbsverzerrungen führe. Hermann plant tatsächlich, die Neuanschaffung von Fahrzeugen finanziell zu unterstützen. Insgesamt schlagen die neuen Züge auf den Stuttgarter Netzen mit rund 500 Millionen Euro zu Buche. Will ein neuer Anbieter etwa moderne Doppelstockwagen einsetzen, die bei Kunden beliebt sind, bekommt er Zuschüsse. Zur Absicherung ist eine Landesanstalt in Gründung. Die Bürgschaft über 3,5 Milliarden Euro ist im Haushalt abgesichert. Das Land trage dabei kein Risiko, sagt Hermann.

„Wir haben das in den letzten Jahren sehr präzise vorbereitet", so Hermann. Diesen Zeitbedarf lässt Nicole Razavi nicht gelten: „Die Ausschreibungen kommen um Jahre zu spät. Dies wird sich negativ auf Wettbewerb und Preis auswirken.“ Der Grünen-Verkehrsexperte im Landtag, Andreas Schwarz, betont dagegen, mit den Ausschreibungen ende die Ära Baden-Württembergs als Land der schrottreifen Altfahrzeuge: „Die Fahrgäste haben lange genug unter dem Bahn-Monopol gelitten, das die CDU und Stefan Mappus ihnen mit dem anerkannt schlechtesten Verkehrsvertrag der Republik eingebrockt hat.“