Soll ab Ende 2020 tagsüber im 15-Minuten-Takt fahren: die S-Bahn in der Region Stuttgart. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Nach einer erbitterten Debatte mit Vorwürfen von den Freien Wählern an die anderen Fraktionen hat die Regionalversammlung mit den Stimmen von CDU, Grünen, SPD und FDP die schrittweise Einführung des 15-Minuten-Takts bis zum Jahr 2021 beschlossen.

Stuttgart -

Nach einer erbitterten Debatte mit Vorwürfen von den Freien Wählern an die anderen Fraktionen hat die Regionalversammlung mit den Stimmen von CDU, Grünen, SPD und FDP die schrittweise Einführung des 15-Minuten-Takts bis zum Jahr 2021 beschlossen. In der Endstufe, wenn der Viertelstundentakt von 6 bis 20.30 Uhr gilt, werden dafür zusätzliche Kosten von 21 Millionen Euro pro Jahr fällig. Im Vorfeld hatten sich die Landräte der VVS-Kreise Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg und Rems-Murr bitter darüber beklagt, dass sie nicht gehört worden seien, obwohl sie über die Verkehrsumlage zumindest einen Teil der Kosten für den besseren Takt übernehmen müssten. Zudem bezweifeln sie, dass es dafür Bedarf gibt.

Die Frühanbindung an den Flughafen kommt im Dezember 2018

Nach dem jetzt gebilligten Plan wird der Viertelstundentakt zwischen 15 und 20.30 Uhr von Dezember 2017 an gelten, Kosten: 3,45 Millionen Euro. Ein Jahr später wird er am Vormittag bis 10 Uhr ausgeweitet, Kosten: 5 Millionen Euro. Von Dezember 2019 soll der Zeitraum von 12 bis 15 Uhr dazukommen, Kosten: 7,1 Millionen Euro. Und die dann noch bestehende Taktlücke von 10 bis 12 Uhr soll von Dezember 2020 an geschlossen werden, Kosten: 5,6 Millionen Euro. Außerdem gibt es von Dezember 2018 an die Frühanbindung des Flughafens für rund eine Million Euro.

„Das ist Großstadt, das ist Metropolregion“, hatte der Regionalpräsident Thomas Bopp die Kritik der Landräte gekontert, an deren Brandbrief sich im Gegensatz zu früheren Zeiten der Stuttgarter Oberbürgermeister nicht beteiligte. Im Gegenteil: Fritz Kuhn hatte zwar einerseits auf die finanzielle Belastung verwiesen, sich aber für die Strategie der Region ausgesprochen, mehr Fahrgäste durch bessere Takte zu gewinnen. „Wir müssen außerhalb der Spitzenzeiten unser Angebot verbessern, weil dort die Nachfrage steigt“, sagte der regionale Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler. Der Beschluss sei auch ein Signal an das Land, höhere Zuschüsse zu zahlen, und an die Bahn, die Infrastruktur auszubauen.

Landräte befürchten hohe Umlage

„Wir müssen alles daran setzen, die Kapazitäten im S-Bahn-Verkehr schnell auszuweiten, wenn wir das große gemeinsame Ziel, die Fahrgastzahlen zu erhöhen, rasch erreichen wollen“, sagte CDU-Regionalrat Rainer Ganske. Die Partner Land und Bahn wüssten nun, wohin die Reise gehe. Wie Eva Mannhardt (Grüne) und Thomas Leipnitz (SPD) setzt er auf zusätzliche Regionalisierungsmittel, so dass die finanzielle Belastung über die Umlage geringer ausfällt, als von den Landräten befürchtet.

Allerdings nahmen die Regionalräte auch die Bahn in die Pflicht: Sie müsse mehr für Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit tun. „Wenn der Viertelstundentakt zum Erfolg werden soll, muss die S-Bahn deutlich pünktlicher werden“, sagte Mannhardt. Da die zusätzlichen Zahlungen für die Bahn wie ein „Geldregen“ sei, müsse dies „der letzte Ansporn sein, die Infrastrukturprobleme in den Griff zu bekommen“. Dabei erwarten die Regionalräte vor allem den Einsatz moderner ETCS-Technik auf der unterirdischen Stammstrecke.

Gibt es überhaupt einen Bedarf für den Takt?

Zwar setzten auch die Freien Wähler auf die S-Bahn, wenn es um Verbesserungen der mangelhaften Verkehrssituation in der Region gehe, betonte Regionalrat Bernhard Maier, aber „vor der umfangreichsten und teuersten Verbesserungsmaßnahme“ seit zwei Jahrzehnten sei mehr Sorgfalt nötig. So sei die Höhe der Regionalisierungsmittel letztlich ungeklärt, genauso wie die Frage, ob die Bahn angesichts der schon heute bestehenden Probleme den 15-Minuten-Takt überhaupt durchgängig fahren könne. „Wir sind im Begriff, ein geschwächtes Pferd zu Tode zu reiten“, sagte Maier. Auch ob es überhaupt einen Bedarf für den Takt gebe, werde nicht geprüft. „Ich habe es in meiner langjährigen Praxis noch nicht erlebt, wie gestandene Fraktionen nach dem Motto ,Augen zu und durch’ vermeintliche Wohltaten beschließen und Partner verprellen“, rief Maier in die Versammlung.

Davon ließen sich die Befürworter aber nicht abbringen. Ein Antrag der Freien Wähler auf Vertagung wurde nur von den Linken und der Innovativen Politik unterstützt. Die Linken sprachen sich gegen den 15-Minuten-Takt aus, weil die S-Bahn schon heute an der Grenze sei. Auch ein Vorstoß der FDP für eine sofortige Umsetzung des 15-Minuten-Takts fiel durch.

Im Zuge der Ausweitung des 15-Minuten-Takts Zuverlässigkeit nicht vergessen

Der Verkehrsclub Deutschland begrüßt zwar die Ausweitung des 15-Minuten-Takts, darüber dürfe aber die Zuverlässigkeit nicht vergessen werden. „Eine Ausweitung des Fahrplans beraubt die S-Bahn der heutigen Erholungsphasen“, warnte VCD-Landeschef Matthias Lieb. Bei einigen Regionalräten schwingt aber eine ganz andere Hoffnung mit: Bei einer dichteren Taktfolge wirkten sich Verspätungen nur marginal aus, so FDP-Regionalrat Armin Serwani. Und Ganske: „Wenn alle 15 Minuten eine S-Bahn fährt, reduziert sich die Fokussierung auf Fahrplan und Abfahrtszeiten.“