Der Burgholzhof ist einer von 41 Wohnbauschwerpunkten im Ballungsraum. Foto: Chris Lederer

Eigentlich sollte die Bevölkerung seit 2009 schrumpfen. Tatsächlich wächst sie – schon ohne Flüchtlinge. Nun überprüft der Verband Region Stuttgart seine Vorgaben für die Baugebiete in den Städten und Gemeinden.

Stuttgart - Anfang des Jahrtausends ging ein Schreckgespenst namens demografischer Wandel um. Immer mehr Ältere und immer weniger Geburten kündigten auch in der Region Stuttgart an, was in anderen Bundesländern und Regionen längst eingetreten war: dass die Bevölkerung schrumpfen würde. Das sollte auch die Zuwanderung nicht mehr ausgleichen. In den Behörden und Gemeinderäten wuchs die Furcht, dass Kindergärten und Schulen überflüssig würden und insbesondere Facharbeitsplätze nicht mehr besetzt werden können.

In Zahlen erwarteten die Planungsexperten, dass die Bevölkerung im Ballungsraum von 2,67 Millionen Menschen im Jahr 2009 um rund 50.000 auf 2,62 Millionen im Jahr 2025 schrumpfen werde. Tatsächlich stagnierte die Zahl der Menschen aber nur in jenem Jahr; danach wuchs sie – statistisch bereinigt durch den Zensus von 2011 – zunächst sachte und dann stärker wieder an. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes auf mehr als 2,7 Millionen Ende März dieses Jahres. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Zahl der Sterbefälle die Geburten in den Jahren 2012 und 2013 tatsächlich erstmals auch in der Region Stuttgart überwog – allerdings lediglich um 441 beziehungsweise 256 Menschen, die mehr starben als andere geboren wurden.

2015 kommen rund 23 000 Flüchtlinge in die Region

Zu den Menschen, die aus Deutschland und aus der EU wegen der Arbeitsplätze in die Region Stuttgart ziehen, kommen mittlerweile auch viele Flüchtlinge aus Kriegsgebieten in Syrien, aus dem Irak oder Afghanistan. Der Regionalverband geht 2015 von 23.000 aus. Weil solche Entwicklungen nicht immer gleich dynamisch vonstatten gehen, erwarten die Planer bis zum Jahr 2025 aber nur weitere 40.000 Menschen zusätzlich – macht 2,74 Millionen Einwohner.

Nachdem fünf von sechs Fraktionen im Zuge der jüngsten Haushaltsberatungen beantragten, vor diesem Hintergrund die Vorgaben des Regionalplans für den Wohnungsbau zu überprüfen, setzte Thomas Kiwitt das Thema erstmals für diesen Mittwoch auf die Tagesordnung des Planungsausschusses. Seine zentrale Botschaft formuliert Kiwitt so: „Für die Deckung des mittelfristig erkennbaren Bedarfs an Wohnraum stehen in ausreichendem Umfang regionalplanerisch geeignete Standorte zur Verfügung.“ Das heißt, dass es nicht am 2009 beschlossenen Regionalplan liegt, wenn der Wohnraum in der Region knapp wird.

Nach der Bilanz von Kiwitt stehen im Ballungsraum Bauplätze mit einer Fläche von etwa 2350 Hektar für rund 190.000 Menschen grundsätzlich zur Verfügung. Davon liegt Grund für rund 38.000 Menschen in sogenannten Wohnungsbauschwerpunkten entlang der S-Bahn-Linien und anderer Schienenwege, für 35.000 Menschen sei dies „kurz- bis mittelfristig“ umsetzbar.

Neue Wohnungen vor allem in der Nähe von S-Bahn-Linien

Zu den Wohnbauschwerpunkten in Stuttgart gehört der Burgholzhof, auf dem nach wie vor fleißig gebaut wird, der Hallschlag, der Güterbahnhof in Bad Cannstatt, wo die Stadt demnächst erst einmal Container für Flüchtlinge aufstellen lässt, das EnBW-Areal Stöckach/Hackstraße, die Alte Messe auf dem Killesberg, das Probstsee-Areal in Möhringen, sowie mittelfristig das künftige Rosensteinviertel/Stuttgart-21-Areal.

Für den Chefplaner des Verbands ist damit klar: „Für eine Abkehr von erprobten regionalplanerischen und städtebaulichen Prinzipien besteht kein Anlass.“ Das bedeutet, dass die Zuwanderer weiterhin an den Schienenwegen untergebracht werden sollen, und die kleineren Orte im Hinterland Bauplätze nur für den Nachwuchs aus den eigenen Reihen ausweisen dürfen. Ansonsten will Kiwitt mit den Kommunen klären, ob die Schwerpunkte umgesetzt werden können, wo es noch nicht geschehen ist, welche Schwerpunkte erweitert werden können und wo eventuell ganz neue möglich wären. Außerdem stellt er den Kommunen Flexibilität in Aussicht, wenn Standard-Wohnbauflächen aus irgendwelchen Gründen nicht bebaut werden können und Alternativen an anderer Stelle gewünscht sind. Damit die wachsende Bevölkerung auch bezahlbare Wohnungen findet.