Das Modell „Mama, Mama, Kind“ löst vielfach Unsicherheiten aus, ist die Erfahrung von Brigitte Aichele-Frölich. Foto: Mauritius

Wer von ihnen denn eigentlich die Mutter ist – diese Frage höre sie ständig, sagt Brigitte Aichele-Frölich, die mit ihrer Lebenspartnerin drei Töchter hat. „Wir sind beide die Mütter“, antwortet sie dann. Ein Interview anlässlich des zweiten Regenbogenfamilienseminars in Stuttgart an diesem Wochenende.

Stuttgart - Zwei Frauen oder Männer mit Kindern, die in einer festen Lebensgemeinschaft leben – das sind Regenbogenfamilien. Sie stehen im Mittelpunkt eines Seminars des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) Baden-Württemberg, das an diesem Freitag beginnt. Brigitte Aichele-Frölich, LSVD-Sprecherin und Mutter dreier Töchter, die das Seminar mitorganisiert, spricht über Diskriminierungen im Alltag, Elternsorgen und starke Kinder.

Frau Aichele-Frölich, Sie haben selbst mit ihrer Lebenspartnerin drei Töchter. Wie akzeptiert sind Regenbogenfamilien heute?
Die gesellschaftliche Akzeptanz ist gewachsen. Aber es gibt noch viel zu tun. Da sind wir noch in den Anfängen. Rechtlich ist es zum Beispiel nicht nachzuvollziehen, warum die Lebenspartnerschaft der Ehe nicht gleichgestellt ist. Das ist eine glasklare Diskriminierung. Doch auch Schulen, Kitas und andere Institutionen der Familien- und Jugendhilfe sind immer noch nicht auf Regenbogenfamilien eingestellt. Anders sieht es bei uns im persönlichen Umfeld aus: Bei unseren Nachbarn, Bekannten und Verwandten sind wir im Großen und Ganzen voll akzeptiert.
Womit tun sich die Erzieherinnen oder Lehrer bei Regenbogenfamilien schwer?
Familien mit zwei Müttern oder zwei Vätern lösen immer noch Unsicherheiten aus. Die Erfahrung haben wir persönlich besonders im Kindergarten gemacht. Für die Erzieherinnen schien es nur dieses eine Modell zu geben: Vater, Mutter, Kind. Wir haben zum Beispiel einmal eine Einladung zum Väterbasteln bekommen und sind als „Liebe Väter“ angeschrieben worden. Das ist diskriminierend. Ich will auch nicht immer wieder gefragt werden, wer von uns beiden denn nun die Mutter sei. Wir sind beide die Mütter. Da muss sich bereits in der Ausbildung etwas ändern. Das betrifft nicht nur uns, sondern auch die Alleinerziehenden und Patchworkfamilien. Sie werden genauso ausgeschlossen, weil sie die Norm nicht erfüllen.
Haben Sie sich von Beginn an in Kita und Schule als Regenbogenfamilie geoutet?
Ja, alle wussten Bescheid. Wir haben sogar im Vorfeld schon Gespräche geführt, damit da nichts aufkommt. Beim Kindergarten haben wir die Erzieherinnen sogar nach Hause eingeladen und im privaten Gespräch alles erklärt. Doch es hat nichts gebracht. Meistens haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Informationen nicht weitergegeben wurden. Dann müssen Sie sich immer und immer wieder erklären. Das ist sehr mühsam. Eine positive Ausnahme gibt es aber: das private Gymnasium, das unsere älteste Tochter besucht. Dort hat die Informationskette funktioniert. Wir haben es einmal erzählt und dann wurde das dem kompletten Lehrerkollegium mitgeteilt.
Was entgegnen Sie, wenn Ihnen jemand vorhält, ihre Töchter bräuchten einen Vater als Rollenbild?
Manfred Bruns, der Mitbegründer des Bundeslesben- und Schwulenverbands, hat es sehr schön ausgedrückt: Die Trümmerfrauen haben eine ganze Generation an Kindern ohne Väter großgezogen, und die sind völlig normal geworden. Unsere Kinder wachsen in dieser Gesellschaft auf und bekommen die klassischen Rollenbilder wirklich genügend transportiert. Wichtig ist doch, dass sie Menschen um sich haben, die sich um sie kümmern. Sie müssen das Gefühl haben, gut aufgehoben zu sein.
Aber auch die Kinder selbst stellen wahrscheinlich Fragen, oder?
Unsere Töchter sind voll aufgeklärt. Sie wissen, wie sie entstanden sind. Ich bin zuhause die ,Mama“ und meine Frau ist die ,Mami’. Im Kindergarten gab es schon mal die Situation, dass meine Tochter nach Hause gekommen ist und erzählt hat, ein Junge habe ihr gesagt, das gibt’s gar nicht, dass sie keinen Papa habe. Da habe ich sie gefragt: Und? Hast Du einen Papa oder hast du keinen? Nein, ich habe keinen, hat sie geantwortet. Ja, dann sag’ ihm das, habe ich ihr gesagt. Dann war das Thema wieder gut.
Ist Mobbing der eigenen Kinder ein Thema, das Regenbogenfamilien besonders bewegt?
Sicherlich. Die Jugendlichen und Kinder in Regenbogenfamilien sind insbesondere in der Schule Diskriminierungen ausgesetzt. Denken Sie nur an die Schimpfwörter auf dem Schulhof: allen voran „Du schwule Sau“. Im Einzelnen wissen wir nicht, was das mit unseren Kindern macht. Wir als Eltern müssen dafür sorgen, dass wir unsere Kinder in Ihrer Identität stärken. Wie man das macht, darum geht es im Seminar beim Angebot „Kinder stärken“ der Psychologin Lisa Green. Studien belegen übrigens, dass unsere Kinder sehr gut gewappnet sind vor solchen Angriffen. In der Regel sind sie sehr selbstbewusst und auch sehr tolerant.
Im Programm machen Sie inhaltlich einen Spagat: vom Kinderwunsch bis zur Trennung. Worauf freuen Sie sich besonders?
Ich finde sehr vieles spannend, das Gender-Doing zum Beispiel, also, inwiefern ich mein Kind geschlechtssensibel erziehe oder nicht, aber auch das Thema Pubertät. Unsere älteste Tochter ist da mittendrin und bei der mittleren geht es jetzt auch los. Da hat man als Eltern schon das Gefühl, sich mit anderen mal austauschen zu müssen, aber auch fachkundige Leute zu hören.