Um passende, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden, brauchen Unternehmen stimmige Personalentwicklungskonzepte und müssen fachliche und persönliche Perspektiven bieten.

Stuttgart - Ein bisschen stolz ist Hans Rudolf Zeisl schon, wenn er wieder einmal eine Bewerbungsmappe in seinem privaten Briefkasten vorfindet. Klar, es ist nicht der offizielle Weg für eine Bewerbung, diese dem Chef persönlich, wie hier dem Vorstandsvorsitzenden der Volksbank Stuttgart, in den Briefkasten zu werfen. Aber dennoch, solche Vorkommnisse zeigen Zeisl, dass seine Bank in der Region als begehrter Arbeitgeber gilt, für den sich mancher Kandidat die Mühe macht, die Bewerbungsmappe gleich direkt zum Chef zu tragen.

Dies ist keine Selbstverständlichkeit. Denn in der Bankenbranche ist es wie anderswo trotz Stellenabbaus insgesamt nicht leicht, für bestimmte Bereiche die passenden, qualifizierten Mitarbeiter zu finden. Umso größer ist die Bedeutung von stimmigen Personalentwicklungskonzepten für die Mitarbeitergewinnung geworden. „Das Angebot an Weiterbildung hat einen nachweisbaren Einfluss auf die Arbeitergeberwahl“, sagt dazu Stephan Fischer, Professor für Personalwirtschaft an der Hochschule Pforzheim. Es sei heutzutage für Unternehmen fast schon zwingend, Entwicklungsmöglichkeiten in fachlicher und persönlicher Hinsicht zu bieten, um qualifizierte Bewerber von sich überzeugen zu können. Eine Reihe von Beispielen aus völlig unterschiedlichen Branchen zeigt exemplarisch, wie Unternehmen diesen Herausforderungen begegnen.

Eher zufällig stieß bei einer Jobmesse vor sieben Jahren der Wirtschaftsjurist Florian Neymeyer auf den Stand des Spezialklebstoffherstellers Uzin Utz AG mit Sitz in Ulm. Staunend registrierte Neymeyer, dass sich dort der damalige Firmenchef und Gesellschafter, Werner Utz, persönlich um den potenziellen Nachwuchs bemühte. Gesucht wurde ein engagierter Jurist, der den Aufbau der Rechtsabteilung vorantreiben sollte. Und als Neymeyer bemerkte, er sei aber „keiner, der gerne Leute rauswirft“, bekam er von Utz als Antwort: „Genau so einen suchen wir.“ Kurz darauf unterschrieb Neymeyer seinen Arbeitsvertrag.

Rückblickend sagt der heute 33-Jährige, der inzwischen den Bereich Personal, IT und Recht des Ulmer Unternehmens leitet, dass die stimmige Kombination von Karriereperspektiven und Unternehmenswerten ausschlaggebend für seine Entscheidung zugunsten von Uzin Utz als Arbeitgeber gewesen sei. „Mir wurde nicht nur ein klares Konzept für die Personalentwicklung aufgezeigt, sondern auch ein Bündel an Unternehmenswerten, die mich sehr angesprochen haben“, erinnert sich Neymeyer. So hat das seit über 100 Jahren bestehende Familienunternehmen die sechs „Arbeitgeberwerte“ Wertschätzung, Verlässlichkeit, Perspektive, Balance, Dynamik und Internationalität für sich definiert, aus denen sich bestimmte Handlungsweisen innerhalb der Personalentwicklung ableiten. „Wir begegnen unseren Mitarbeitern mit Respekt und Toleranz“, sagt der Vorstandsvorsitzende Thomas Müllerschön. Deshalb könnten die Beschäftigten bei Uzin Utz ein offenes Wort, eine faire Einschätzung und Kommunikation auf Augenhöhe erwarten.

Attraktive Trainings- und Weiterbildungsangebote

Vor allem wenn es um die Gewinnung von qualifizierten Nachwuchskräften geht, spielt das Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten beruflicher und persönlicher Art eine wichtige Rolle, hat Thomas Weismann, Personalvorstand der Volksbank Stuttgart, festgestellt. Besonders bei Auszubildenden und Studenten der Dualen Hochschule, für die sein Institut sehr attraktiv sei, komme daher die „Volksbank Stuttgart Akademie“ sehr gut an, innerhalb der das Institut in eigenen Trainings- und Weiterbildungsprogrammen seine Nachwuchsbanker systematisch fördert. „Dabei unterstützen wir die jungen Leute nicht nur auf der fachlichen Seite, sondern auch bei deren Persönlichkeitsentwicklung, etwa durch das Einüben von Teamfähigkeit“, sagt Weismann. „Denn unsere Nachwuchskräfte messen der persönlichen Entwicklung in der Regel eine ebenso große Bedeutung bei wie den monetären Aspekten eines Jobs.“

Anders verlief die Jobfindung bei dem Bauingenieur Patrick Kraus, der bei der Arbeitgebersuche zunächst einen der Gro- ßen der deutsche n Bauindustrie im Sinn gehabt hatte. Über das Projekt Stuttgart 21 aber wurde er auf die Porr Deutschland GmbH aufmerksam, die als Tunnelbauer zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und Ulm tätig ist. „Bereits beim Vorstellungsgespräch wurden mir dabei die Pläne zur Personalentwicklung sowie meine Karrieremöglichkeiten in den nächsten Jahren erläutert“, erzählt Kraus. Außerdem imponierten dem 26-Jährigen die Expansionspläne des Baukonzerns mit Sitz in Wien, zu denen auch die im April 2016 erfolgte Eröffnung seiner neuen Niederlassung in Leinfelden-Echterdingen zählte, wo er inzwischen als Bauleiter tätig ist. „Das Wachstum des neuen Standorts mit ansehen zu können, macht es zusätzlich spannend“, sagt Kraus.

So weiß Personalleiter Hans-Joachim Fischer um die Aufmerksamkeit, die Großprojekte von Porr in der Öffentlichkeit hervorrufen. „Dadurch werden natürlich auch Bewerber auf uns aufmerksam“, sagt er. Daneben biete Porr vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten, wie sie ein international agierender Konzern mit sich bringe. Hinzu kämen umfangreiche fachliche und persönlichkeitsbildende Weiterbildungsmöglichkeiten sowie das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse, so Fischer. Im Übrigen bleibe Porr ein Baukonzern, in dem ein Prinzip gelte, das Mitarbeiter sehr zu schätzen wüssten: die Handschlagmentalität.