Bei der Razzia am Dienstag durchsuchten die Ermittler Daimler-Standorte in verschiedenen Bundesländern. Ob die Konzernzentrale in Stuttgart-Untertürkheim betroffen war, sagte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft nicht. Fest steht, dass derzeit der Druck auf Daimler derzeit steigt. Foto: 7aktuell.de/Simon Adomat

Als ob die deutschlandweite Razzia bei Daimler nicht genug gewesen wäre: Die Deutsche Umwelthilfe will dem Gericht im Rechtsstreit wegen angeblich zu hoher Abgaswerte bei einem Dieselmodell Daimlers Anfang nächster Woche Beweise vorlegen. Auch in den USA droht dem Konzern Ungemach.

Stuttgart - Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht sich im Rechtsstreit mit Daimler durch die jüngste Razzia bestätigt. „Ich habe mich nur gewundert, warum man sich dafür für ein Jahr Zeit gelassen hat. Wenn die Razzia früher gewesen wäre, hätte man vielleicht mehr gefunden“, sagte der DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch unserer Zeitung. 23 Staatsanwälte und 230 Polizisten hatten am Dienstag wegen möglicher Diesel-Abgasmanipulation mehrere Standorte von Daimler in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern durchsucht. Im Fokus standen „bekannte und unbekannte Mitarbeiter“ des Unternehmens. Daimler kooperiert nach eigenen Angaben „vollumfänglich“ mit den Behörden, lehnt aber mit Blick auf die laufenden Ermittlungen weitere Angaben ab.

Die DUH liegt sich wegen angeblich zu hoher Abgaswerte bei einem Dieselmodell Daimlers mit dem Stuttgarter Autobauer schon seit längerem in den Haaren. Zurzeit läuft vor dem Landgericht Stuttgart ein Rechtsstreit um eine Werbeaussage Daimlers über die Sauberkeit seiner Dieselmotoren. Die Umwelthilfe wirft dem Autobauer bei Werbung für Autos der C-Klasse eine Irreführung der Verbraucher vor. Der Konzern hatte geworben, die sogenannte Bluetec-Technologie reduziere „die Emissionswerte unserer hochmodernen Dieselmotoren auf ein Minimum“. Dem hatte die Umwelthilfe die Untersuchung eines niederländischen Instituts gegenübergestellt, bei der eine Mercedes-C-Klasse Bluetec 220 CDi unter realen Bedingungen auf der Straße besonders schlecht abgeschnitten habe. Daimler weist den Vorwurf der Verbrauchertäuschung zurück, muss aber dem Landgericht bis kommende Woche weitere Erklärungen einreichen, was genau unter der Abgas-Nachbehandlung verstanden werden soll, die der Konzern dabei nutzt. Ob Daimler die Erklärung dem Gericht bereits vorgelegt hat, dazu machte eine Sprecherin auf Anfrage keine Angabe.

Die Umwelthilfe kündigt Beweise gegen Daimler an

Die Umwelthilfe kritisiert schon länger eine Einrichtung, die in einigen Motoren dafür sorgt, dass die Abgas-Nachbehandlung in bestimmten Temperaturbereichen heruntergeregelt wird – das sogenannte Thermofenster. Für sie ist diese Praxis gegen das Recht. „Wir werden umfangreich an Aussagen von Daimler belegen, dass sie die Aktivierung von Abschalteinrichtungen bei niedrigen Umgebungstemperaturen zugegeben haben – was sie vor Gericht bestritten hatten“, kündigte Resch an. „Wenn die ordnungsgemäße Abgasreinigung dauerhaft bei Temperaturen unterhalb von sieben bis zehn Grad mit Hilfe einer Abschalteinrichtung abgeschaltet wird, dann ist es illegal und vor allem eine Verbrauchertäuschung“, sagte Resch. Er wolle die Ergebnisse bis spätestens Dienstag präsentieren. Das Landgericht hatte der Umwelthilfe eingeräumt, nochmals zur Abschalteinrichtung Stellung zu nehmen. Der nächste Verhandlungstag findet am 6. Juni statt.

Eine Daimler-Sprecherin betonte auf Anfrage, dass man die Klage der DUH nach wie vor für unbegründet halte und den Vorwurf der Verbrauchertäuschung zurückweise. „Darüber hinaus kommentieren wir die Äußerungen von Herrn Resch nicht.“

Für Daimler ist es nicht der einzige Rechtsstreit

Für Daimler ist es derzeit nicht der einzige Rechtsstreit. Neben der Auseinandersetzung vor dem Stuttgarter Landgericht laufen auch Ermittlungen in Deutschland wegen möglicher Abgas-Manipulationen bei Dieselfahrzeugen „gegen namentlich bekannte und unbekannte Mitarbeiter der Daimler AG wegen des Verdachtes des Betrugs und der strafbaren Werbung“. Außerdem hat die US-Umweltbehörde EPA eine Untersuchung gegen Daimler eingeleitet. Das Justizministerium in Washington hatte den Autobauer im April aufgefordert, das Zustandekommen der offiziellen Werte in den USA selbst und unter Einbeziehung der Aufseher zu prüfen. Daimler hält sich mit Aussagen zu den Verfahren zurück. Im Geschäftsbericht hieß es jedoch, es sei nicht auszuschließen, dass die Behörden zum Schluss kommen, dass Funktionalitäten in Mercedes-Dieseln von US-Behörden als nicht zulässig identifiziert würden.

Unterdessen teilte die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit, dass sie sich bei ihren Ermittlungen mit den US-Justizbehörden austausche. Ob es sich dabei um ein formelles Rechtshilfeersuchen oder informelle Kontakte handelt, teilte sie nicht mit.