Erst- und Zweitklässler haben noch viele Freiheiten – beim Schreiben. Foto: dpa

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat mit ihrer Kritik an der Lernmethode des lautorienterten Schreibens die Grundschullehrer zu scharfen Reaktionen herausgefordert. Jetzt kontern auch die Rektoren der sechs pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg.

Stuttgart - Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat mit ihrer Kritik an der Lernmethode Schreiben nach Hören die Grundschullehrer auf die Barrikaden gebracht. Die Eltern bleiben dagegen bleiben beim Thema Rechtschreibung in Grundschulen größtenteils gelassen. „Das ist bei Elternbeiratssitzungen und Elternstammtischen noch nie ein Thema gewesen“, berichtet Stefan Pfahl aus dem Gesamtelternbeirat (GEB) der Tübinger Schulen. Der Vertreter der Grundschulen im GEB hat „bei solchen Anlässen keine einzige Klage von Eltern gehört“, die sich auf das lautorientierte Schreiben bezogen hätte, wie das Konzept „Schreiben nach Hören“ in Fachkreisen heißt.

Konzepte nicht zurückdrehen

Pfahl rät, „man soll das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“. Die Lehrer, das könne er zumindest für die Tübinger Schulen sagen, würden größtenteils verantwortlich mit dem Thema umgehen, sagt Pfahl und hebt hervor: „Es ist nicht zeitgemäß, die Konzepte zurückzudrehen“. „Gott sei Dank“, so der Vater zweier Grundschüler, erlaube jede Schule den Erst- und Zweitklässlern ein Stück weit, so zu schreiben, wie sich die Kinder das dächten. Der Drill auf korrekte Schreibweise sei ja auch nicht wünschenswert.

Das vergälle den Kindern die Freude daran, selbst etwas zu schreiben. Natürlich solle auch die Rechtsschreibung nicht vernachlässigt werden, meint der Elternvertreter. Er lobt die Herangehensweise, die seine Kinder erlebt hätten. Ab der dritten Klasse seien wöchentliche Lernwortlisten erstellt und abgefragt worden. Das habe die Rechtschreibung befördert.

Schwache brauchen frühe Korrektur

Andere sind skeptisch. Von einem regelrechten Skandal schreibt die Mutter einer Elfjährigen an die Kultusministerin. Die Defizite der Kinder, die mit Anlauttabelle schreiben gelernt hätten, seien bis zum Abitur nicht aufzuholen. Aus Stuttgarter Elternkreisen heißt es, besonders für schwache Schüler sei es sehr wichtig, dass sie auf Fehler von Anfang an hingewiesen würden. „Was sich mal in die Festplatte eingebrannt hat, ist sehr schwierig wieder herauszukriegen“, sagt ein erfahrener Grundschullehrer.

Carsten Rees, der Vorsitzende des Landeselternbeirats, weiß allerdings ebenfalls nichts von Elternklagen gegen die bisherige Vorgehensweise der Lehrer. „Wir sollten den aktuellen Stand der Bildungswissenschaften einbeziehen“, sagt Rees diplomatisch. Der Kultusministerin gehe es gegenwärtig jedoch um politische Dogmatik, bedauert der Elternvertreter.

Nur ein Prozent schreibt nach Hören

Allerdings wenden nur ein bis anderthalb Prozent der 2500 Grundschulen im Land das klassische Konzept des lautorientierten Schreibens an. „Daran kann es nicht liegen, wenn die Schüler in Vergleichsstudien schlecht abschneiden“, räumt eine Stuttgarter Mutter ein.

Nach den schlechten Ergebnissen der baden-württembergischen Schüler im Lesen und Schreiben in der Vergleichsstudie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hatte Kultusministerin Susanne Eisenmann die Grundschullehrer dazu aufgefordert, von der ersten Klasse an auf korrekte Rechtschreibung zu achten. Sie berief sich auf Fachleute und empirische Bildungsforscher und hatte bei den Lehrern einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen. Die Grundschullehrer wandten sich gegen Einmischungen in ihre pädagogische Freiheit.

Rektoren sehen keinen Zusammenhang mit einer einzigen Methode

Die Schlussfolgerung der Ministerin stellen jetzt auch die Rektoren der sechs pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg in Frage. „Die empirischen Befunde lassen monokausale Zuordnungen nicht zu“, schreiben sie an die Kultusministerin. „Es kann kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Ergebnissen der IQB-Studie und einem einzelnen Arbeitsbereich des Deutschunterrichts in der Grundschule hergestellt werden“. Für eine „Überbetonung einer einzelnen Methode fehlen die Befunde“, berichten die Hochschullehrer aus der wöchentlichen Praxisbegleitung ihrer Studierenden. Vielmehr, so die Rektoren, werde Rechtschreiben in Grundschulen „von Anfang an engagiert und gezielt geübt“. Dabei würden Methoden differenziert eingesetzt.

Ministerin gesprächsbereit

Freihändige Änderungen einzelner Aspekte könnten zu einer Verunsicherung der Lehrer führen oder dazu, dass der Bildungsplan weniger ernst genommen werde, warnen die Rektoren. Die Wissenschaftler der Pädagogischen Hochschulen jedenfalls seien gerne bereit, sich mit dem Kultusministerium „ausführlicher auszutauschen und bieten ihre Expertise und den Dialog an“. Susanne Eisenmann will einen Termin suchen lassen, wie sie dieser Zeitung sagte.