Das Nein der Gegner verpuffte: Das Flüchtlingsheim ist längst in Bau. Foto: factum/Granville

Die Internetseite „Nufringer sagen nein“ ist eines von etlichen Beispielen für Hetze am Rand der Legalität. Alle Betreiber behaupten, dass sie nichts als die Wahrheit verkünden.

Nufringen - Viele in der Gemeinde Nufringen scheinen mitzusingen im Chor derjenigen, die meinen, den Flüchtling als Quell allen Übels enttarnt zu haben: Der Flüchtling will nur schmarotzen. Schmarotzt er nicht, stiehlt er. Stiehlt er nicht, stellt er der deutschen Frau nach. Verhasster ist nur die Bundeskanzlerin, denn Angela Merkel ist schuld und muss weg. Derlei ist, im Tenor oder im Wortlaut, zu lesen auf der Facebook-Seite „Nufringer sagen Nein“. Ob die Neinsager tatsächlich in Nufringen wohnen, ist aber unklar. Facebook gibt die Namen seiner Nutzer nicht preis.

„Nein“ sagten die Betreiber einst zu einem Asylbewerberheim in der Gemeinde. Allerdings verpuffte ihr Einspruch ebenso wie eine Online-Petition. Das Asylbewerberheim ist längst im Bau, die Petition haben die Betreiber der Plattform Open-Petition gestoppt mit dem Hinweis, dass „beleidigende, herabwürdigende und diskriminierende Petitionen eben gesperrt“ würden.

Fast 2500 Facebook-Fans haben die neinsagenden Nufringer binnen eines Jahres gesammelt. Das sind vergleichsweise viele, gemessen am Zuspruch beispielsweise der „Bögida“-Seite. Die Betreiber der Seite des Böblinger Pegida-Ablegers rufen zum Widerstand gegen eine Islamisierung des Landkreises auf, für dieses Anliegen begeistern sich knapp 800 Facebook-Mitglieder. Das mutet andererseits wenig an, haben sich doch bei der Landtagswahl im März landesweit fast 810 000 Wähler für die AfD entschieden.

Der Staatsschutz liest mit

Uwe Vincon gehört zu denjenigen, die regelmäßig lesen, welche neuen Erkenntnisse die Nufringer oder die Bögida verbreiten – er tut das von Amts wegen. Vincon überwacht gleichsam als Internet-Polizist fremdenfeindliche Webseiten aus dem Kreis Böblingen. Wie viele er im Blick hat, gibt er nicht preis, und zwar „aus ermittlungstaktischen Gründen“, wie er sagt. Für beide Internetseiten gilt laut Vincon: „Das ist die typische Handschrift der ausländerfeindlichen Klientel.“

Nichts Besonderes in Deutschland anno 2016 – das Schimpfwort Asylschmarotzer ist auch auf den offiziellen NPD-Seiten zu finden. Manche Aussage schrammt am Rand der Volksverhetzung entlang, aber der Tatbestand ist selten erfüllt. Im Zweifel setzt Vincon die Staatsanwaltschaft in Gang. Oft reicht ein Hinweis an die Betreiberfirma. Facebook hat sein Gebaren geändert und erfüllt Löschwünsche regelmäßig, seit die Zahl fremdenfeindlicher Seiten mit der Zahl der Flüchtlinge stieg.

Die ausländerfeindliche Klientel veröffentlicht und kommentiert auf ihren Webseiten Informationen, die in ihr Meinungsbild passen. Das Internet befördert selbst Absurditäten in den Rang von Tatsachen. Wer etwa bei Google die Begriffe Bauchschmerzen und Krebs kombiniert, der wird mit 337 000 Treffern erschreckt. Dass Bauchschmerzen meist harmlos sind, legen nur 94 000 Treffer nahe.

Mit Zahlen sind die Vorurteile nicht belegbar

Weder, dass Flüchtlinge ungewöhnlich kriminell sind, noch dass ihretwegen die Sozialetats explodieren, lässt sich mit Zahlen belegen. Tatsächlich haben im vergangenen Jahr Flüchtlinge im Kreis doppelt so viele Straftaten verübt wie im Vorjahr. Der Polizeipräsident Frank Rebholz mahnt aber, die Statistik sei mit Vorsicht zu interpretieren. Rund ein Viertel der Fälle waren Verstöße gegen das Asylrecht, und während sich die Zahl der von Flüchtlingen begangenen Straftaten verdoppelte, vervierfachte sich die Zahl der Flüchtlinge. Insgesamt ist die Zahl der Straftaten pro Einwohner trotz der Zuwanderung gesunken.

Die Belastung der Sozialetats veranschaulichen Daten aus der Landeshauptstadt für das laufende Jahr. Insgesamt gibt Stuttgart für Sozialleistungen jährlich 730 Millionen Euro aus. Auf die derzeit rund 8700 in der Stadt lebenden Flüchtlinge entfallen davon 27 Millionen. Das entspricht weniger als vier Prozent.

Aber: „Der Staat ist machtlos gegen uns. Die Wahrheit lässt sich nicht verbieten!“ lassen die Betreiber der Nufringen-Seite ihre Fans wissen. Dass der Staat gegen sie machtlos ist, entbehrt nicht einer gewissen Wahrheit, weil sich nichts schneller verbreitet als ein Gerücht, zumal auf Facebook, wo nur Gleichgesinnte Gleiches teilen. Amtliche Zahlen zweifelt die rechtsgerichtete Klientel regelmäßig an, zumal, wenn sie in der Zeitung stehen: Denn „man kann zu 100 Prozent davon ausgehen, dass die Lizenzpresse das verschweigt“. Dieses Zitat stammt nicht von einer anonymen Seite, sondern von einem anderen, der nichts als die Wahrheit für sich in Anspruch nimmt: vom NPD-Kreisrat Janus Nowak.