Die leergeräumte Maschinenhalle des im Jahr 2005 stillgelegten Kernkraftwerks (KKW) Obrigheim. Foto: dapd

Anwohner des stillgelegten Reaktors Obrigheim wollen mehr mitreden.

Obrigheim - Der Rückbau des stillgelegten Atomkraftwerks Obrigheim löst trotz der Überwachung durch ein Grün-geführtes Umweltministerium anhaltende Besorgnis in der Bevölkerung aus. „Wir befürchten, dass Sicherheitsaspekte nicht ausreichend geprüft wurden“, sagt Gertrud Patan von der Bürgerinitiative AtomErbe Obrigheim. Sie fordert nicht nur einen besseren Strahlenschutz, sondern auch eine stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit.

Vor allem für die demnächst anstehende dritte Teilgenehmigung, die den Abbau des radioaktiv hochbelasteten Reaktorkerns einleitet, hält die Bürgerinitiative eine formale Öffentlichkeitsbeteiligung für zwingend notwendig. Patan: „Nachdem die Bevölkerung schon bei der zweiten Teilgenehmigung nicht gehört wurde, wollen wir jetzt verhindern, dass der Betreiber EnBW übereilt Fakten schafft.“

Für Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) ist der Vorwurf keineswegs trivial, denn er zielt auf eine Kernkompetenz seiner Partei: den kritischen Umgang mit der Kernkraft. Er weist den Vorwurf der mangelnden Transparenz denn auch entschieden zurück.

„Gegenüber dem formellen Verfahren hat das freiwillige sogar Vorteile“

„Es gibt keine Möglichkeit für eine formale Öffentlichkeitsbeteiligung“, verwies er dieser Tage auf die atomrechtlichen Vorgaben. Denn zu Beginn des Genehmigungsverfahrens sei die Öffentlichkeit zwar beteiligt worden, es sei aber keinerlei Einspruch laut geworden. Untersteller: „Damit ist der Erörterungstermin entfallen.“ Das gelte auch für die weiteren Genehmigungsschritte, sofern der Betreiber nicht gravierend von seiner Ursprungskonzeption abweiche.

Trotzdem will der Grünen-Politiker den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen: Er schlägt deshalb für den dritten Genehmigungsschritt eine freiwillige Info-Veranstaltung über den weiteren Rückbau vor.

Am 24. Juli kann die Bevölkerung in Obrigheim also nun all jene Fragen loswerden, die ihr auf den Nägeln brennen. Bereits am 2. Juli seien die Unterlagen dazu im Internet abrufbar, versprach Untersteller. „Gegenüber dem formellen Verfahren hat das freiwillige sogar Vorteile“, so der Minister. Es könnten sich nämlich alle Bürger beteiligen, nicht nur die direkt betroffenen.

Vorwurf: Umweltminister könne die Öffentlichkeit auch formal beteiligen

Die Bürgerinitiative ist damit jedoch nicht zufrieden und beharrt auf ihrem Vorwurf, der Umweltminister könne die Öffentlichkeit auch formal beteiligen – wenn er nur wolle. „Den freiwilligen Info-Tag halten wir für zu wenig“, sagt Gertrud Patan. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben sie beim Mannheimer Verwaltungsgerichtshof den Stopp der weiteren Abbaumaßnahmen beantragt. Patan rechnet damit, dass das Gericht demnächst über den Eilantrag entscheidet.

Man müsse sorgfältig darauf achten, bei Obrigheim keine Negativstandards zu setzen,warnt die Sprecherin der Initiative und kritisiert, bisher seien die Unterlagen wenig aussagekräftig gewesen. Proteste hatte es Ende Mai auch im vorpommerischen Hafenort Lubmin gegeben, wo auf einem Schiff mehrere Anlageteile aus Obrigheim angeliefert worden waren. Sie wurden dort in ein atomares Zwischenlager gebracht.

Unterdessen lässt offenbar Bundesumweltminister Peter Altmaier prüfen, ob nicht besser der Bund den Abriss der 17 deutschen Atomkraftwerke koordiniert und überwacht. Nach Informationen des Magazins „Capital“ will der CDU-Politiker damit das komplizierte Genehmigungsverfahren vereinfachen und einem drohenden Atommüll-Chaos vorbeugen. Er wolle den Ländern diese Kompetenz entziehen.