Im Umfeld der Messstelle Neckartor sollen ab 2018 an Tagen mit Feinstaubalarm weniger Autos fahren Foto: dpa

An Tagen mit Feinstaubalarm soll von 2018 an der Verkehr beim Stuttgarter Neckartor verringert werden. Was da vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart vereinbart wurde, ist aus der Sicht der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart „problematisch“.

Stuttgart - Völlig überrascht sei man nicht, sagt Andreas Richter, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart, entsprechende Signale habe man vorher schon wahrgenommen, damit umzugehen sei aber „sehr schwierig“. Die Rede ist von den Verkehrsbeschränkungen, die am Stuttgarter Neckartor von 2018 an drohen, wenn sich eine Wetterlage mit geringem Luftaustausch zusammenbraut.

Der Vergleich, den das Land Baden-Württemberg mit zwei Klägern vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart eingegangen ist, sei „problematisch“, sagte Andreas Richter dieser Zeitung. Damit sei noch nicht die Frage der Umsetzung geklärt. Außerdem hätten lokale Verkehrsbeschränkungen im Bereich Neckartor und der dortigen Bundesstraße 14 Auswirkungen auf den gesamten Verkehr in Stuttgart. Andererseits liege auf der Hand, dass das Problem der überhöhten Schadstoffwerte in Stuttgarts Luft durch den bisher praktizierten Feinstaubalarm mit freiwilligem Umstieg von Autofahrern auf Busse und Bahnen „nur sehr eingeschränkt“ zu lösen sei. Die Unternehmen und ihre Mitarbeiter müssten sich jetzt auf die Verkehrsbeschränkungen einstellen. Zu klären sei, ob der Lieferverkehr Benutzervorteile erhalten könne. Ansonsten müssten von den Behörden alternative „Logistikkonzepte vorgehalten werden“.

CDU bei blauer Plakette skeptisch

Die CDU-Landtagsfraktion betrachtet skeptisch, welche Rolle der blauen Umweltplakette für moderne Autos bei der Regelung der Verkehrsbeschränkungen zugedacht wird. „Wir müssen hier die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen im Blick behalten“, sagte Nicole Razavi, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion, im Hinblick auf weniger finanzkräftige Autofahrer und auf die Wirtschaft. „Wir brauchen Übergangsfristen“, forderte sie. Man brauche jetzt ein Gesamtkonzept, um feinstaubbedingte Fahrverbote zu vermeiden, die Pendler und Wirtschaftsunternehmen schädigen würden.

Im öffentlichen Nahverkehr müsse man mehr Kapazität schaffen, an Tagen mit Feinstaubalarm günstige Fahrpreise ausrufen und die Motivation zum Umsteigen vom Auto auf Bus oder Bahn stärken. Zudem plädierte Razavi für einen „engen Schulterschluss mit der Automobilindustrie“, damit mehr immissionsarme Fahrzeuge auf die Straßen kommen. Zum Gesamtkonzept müssten schließlich auch eine intelligente Verkehrssteuerung und die Verlagerung des Durchgangsverkehrs von der Stuttgarter Innenstadt nach außen gehören. Razavi: „Wir brauchen den Nordostring.“

SPD gegen kleinräumiges Fahrverbot

Die Haltung der CDU wird von Bedeutung sein, weil sie Teil der Landesregierung sein wird, die dem Vergleich vor Gericht noch zustimmen muss, damit er Gültigkeit bekommt. Im Verkehrsministerium, bisher unter grüner Führung, denkt man daran, eine kleinere Umweltzone in Stuttgart zu schaffen, in der man bei Feinstaubalarm nur mit blauer Plakette fahren darf, während im restlichen Stadtgebiet wie bisher mit grüner Plakette gefahren werden dürfte.

Martin Körner, Vorsitzender der SPD-Gemeinderatsfraktion, hält ein eng begrenztes Fahrverbot am Neckartor für eine umwelt- und verkehrspolitische „Bankrotterklärung“. Dadurch würde das Problem nur „von A nach B verlagert“. Erhebliche Ausweichverkehre wären zwischen Innenstadt und Neckartal die Folge, meint er, zum Beispiel in der Tal- und in der Wagenburgstraße im Stuttgarter Osten. „Dort leben sehr, sehr viele Menschen in Wohnungen direkt an der Straße. Sie wären die Leidtragenden einer solchen Fehlentscheidung“, erklärte Körner in einer Pressemitteilung nach dem Vergleich.