Die Neckarpiraten tummeln sich im Kinderparadies. Foto:  

Der Kindertagesstätte wurden die Räume gekündigt. Zwar muss sie erst Ende 2018 ausziehen, aber die Suche nach einem neuen Domizil soll rasch und erfolgreich abgeschlossen werden.

Bad Cannstatt - Jetzt müssen Emil, Mads und Mika aber erst einmal ihre Falle fertig bauen! Ein imposantes Ding aus Seilen, Stäben, Bausteinen und bunten Tüchern. Werden da jetzt etwa Hasen und Meerschweinchen gefangen? „Nein, nur die Menschen“, versichert Mads. Und wenn was schiefgeht, stehen David, Moritz und Oskar bereit, die Feuerwehr vom Dienst. Aber vielleicht kann man auch auf dem sagenhaften, selbst gebauten Schiff davonsegeln, das Philipp gerade spazieren trägt und an dem er gleich weiter bastelt.

Die Szenerie auf dem Unterdeck der „Neckarpiraten“ ist das pure Kinderparadies. Es wird allerdings nicht von Dauer sein, denn kürzlich ist der 2004 von einer Elterninitiative gegründeten, von einem Verein getragenen Kindertagesstätte in der Hofener Straße die Kündigung ins Haus geflattert: „Wir haben zwar immer mal wieder gebangt, weil das Haus einer älteren Dame gehört“, sagt das Vereinsmitglied Lars Meder. „Aber als wir jetzt gekündigt wurden, hat uns das kalt erwischt.“ Das Gebäude wurde an einen Investor verkauft, der es abreißen und Wohnungen bauen will.

Definitiv ausziehen müssen die Neckarpiraten zum Ende des nächsten Jahres. Sie haben also noch ein bisschen Zeit, hätten aber doch möglichst bald „Klar Schiff!“ in Sachen Zukunft: „Deshalb suchen wir mit allen Kräften und auf allen Kanälen“, sagt Meder und fügt hinzu: „Es gibt ja leer stehende Immobilien, und es entstehen neue Quartiere. Wir überlegen auch, ob wir selbst bauen sollen. Aber da bräuchten wir natürlich ein passendes Grundstück in Cannstatt“. Zur Not würde auch ein Interim in Kauf genommen.

Die Eltern begreifen den Auszug als Chance, etwas Neues zu schaffen

Den schlimmsten Fall jedenfalls will sich Meder für die 36 kleinen Neckarpiraten und die sieben Betreuer nicht ausmalen: „Aufteilen in andere Kitas? Gesetzt dem Fall, dass es überhaupt Platz gibt. Das ist schwer vorstellbar, denn das hier ist schon etwas Besonderes. Eine solche Elterninitiative lebt ja auch vom Engagement der Eltern. Da ist eine starke Verbundenheit, ein großer Zusammenhalt entstanden, ein gewisser Spirit. Das kommt ja auch den Kindern zugute. Dass das enden könnte, daran mag ich lieber nicht denken.“

Den Kopf in den Sand zu stecken, das kommt nicht infrage, findet auch Yvonne Otto, die Erste Vorsitzende des Trägervereins: „Für uns Eltern ist es auch eine Chance, etwas Neues zu schaffen.” Also werden die Ärmel hochgekrempelt und im Rahmen mehrerer Arbeitsgruppen alle Möglichkeiten nach geeigneten Objekten zum Mieten oder Kaufen abgeklappert. „Und wenn die Not der Neckarpiraten bekannt wird, kriegen wir ja vielleicht auch einen Tipp, der weiterhilft“, hofft Meder.

Darauf hofft auch das Personal. Lisa Rühle zum Beispiel: „Hier ist eine besondere Atmosphäre, eine besondere Qualität der Zusammenarbeit. Das sollte eigentlich weiterleben“, findet die Erzieherin. Und nachdem die Leiterin Jennifer Kiss durch den großen Werkraum, durchs Oberdeck mit Ruhe-, Sinnes- und Experimentalraum, mit Bauecke und Musikkämmerchen geführt hat, bekennt sie zwar eine „gewisse Wehmut“, fügt aber schnell hinzu: „Ich bin positiv gestimmt, das wird schon klappen.“

Bei Emil, Mads und Mika ist übrigens noch niemand in die Falle gegangen. Das ist dem Trio aber auch egal, denn jetzt gibt es Mittagessen. Blumenkohlsuppe und Haferflocken-Gemüse-Schnitzel, frisch gekocht von der hauseigenen Köchin Nahidde Pasali. Ihr Motto: „Gutes Essen macht glückliche Kinder.“ Guten Appetit also und „Schiff ahoi!“ für die Neckarpiraten, worauf die Köchin lachend ergänzt: „Bei uns schmeckt es immer!“