OB Fritz Kuhn (rechts) und Ordnungsbürgermeister Martin Schairer nehmen im Mai 2016 die beiden neuen Blitzer an der Partymeile in Betrieb. Seither werden dort im Minutentakt zu schnelle Autofahrer erwischt. Foto: dpa

Stuttgart diskutiert über schlechte Luft und weniger Verkehr. Derweil schert sich so mancher Autofahrer kein bisschen um Tempolimits. Fast 21 000 Menschen mussten im vergangenen Jahr wegen Verstößen auf den Autobahnen in Baden-Württemberg ihren Führerschein abgeben.

Stuttgart - Was hat man sich nicht alles ausgedacht, um den Verkehr rund ums Neckartor zu verstetigen und zu verlangsamen, die Luft damit zu verbessern. Ampelschaltung, Mooswand, Straßenreinigung, Tempolimit von 50 Stundenkilometern auf der Cannstatter Straße. Mir doch egal, dachte sich wohl ein Autofahrer auf der berühmt-berüchtigten Stuttgarter Feinstaubmeile. Der hatte dort im vergangenen Jahr eben mal das Dreifache auf dem Tacho – und fabrizierte mit 146 Sachen ein teures Bild an den Blitzersäulen. Die Konsequenz: 680 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg und drei Monate Führerscheinentzug.

Ganz so rasant war natürlich nicht jeder Autofahrer unterwegs, der im vergangenen Jahr in Stuttgart geblitzt worden ist. Dennoch gibt es einen traurigen Rekord: In der Landeshauptstadt und auf den angrenzenden Autobahnen wurden 6121 Fahrverbote wegen überhöhter Geschwindigkeit erteilt, so viele wie noch nie. Die Zahl der Tempoverstöße insgesamt lag bei 932 000 – der zweithöchste Wert, der sich je aus den Zahlen des Ordnungsamts, der Stuttgarter Verkehrspolizei und der Autobahnpolizei ergeben hat. Noch mehr waren es lediglich 2014 – damals hatten die neu aufgestellten stationären Blitzer entlang der A 8 für eine Flut von unliebsamen Bildern gesorgt.

Wo werden in Stuttgart die meisten Autofahrer geblitzt? Hier die Antwort.

Gründe für die erneut heikle Lage gibt es mehrere. So nimmt der Verkehr seit Jahren zu. In der Stadt steigt die Zahl der Überwachungsanlagen. Zudem bremsen diverse Baustellen auf den Autobahnen und in der Innenstadt den Verkehr aus und bringen so manchen Autofahrer dazu, die heruntergesetzten Tempolimits zu missachten. Allerdings haben manche Raser in Baustellen auch Glück gehabt: „Wegen der Stuttgart-21-Arbeiten sind in der Innenstadt gar nicht immer alle Anlagen in Betrieb gewesen“, sagt Joachim Elser, Leiter der städtischen Verkehrsüberwachung.

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Insgesamt hätten sich die vielen stationären Blitzer bewährt – sowohl was Luftqualität als auch Unfallverhütung betreffe. Und nebenbei bedeuten sie auch Millioneneinnahmen für die Stadt. Neue Anlagen sind geplant, etwa im Schwanenplatztunnel. Wann es dort los geht, ist aber noch offen. Der Überwachungsdruck bleibt jedoch auch so hoch – wie die Statistik für das Jahr 2016 zeigt:

Rücksichtslos vor der Haustür: In den Tempo-30-Zonen ist die Zahl der Verstöße deutlich gestiegen auf zuletzt 43 473. Immerhin sind manche dort nicht mehr ganz so sehr aufs Gas gestiegen wie zuvor: Die Zahl der Fahrverbote ist von 73 auf 64 gesunken.
Hauptstraßen: Ganz anders sah es auf den größeren Straßen, den sogenannten Vorbehaltsstraßen, aus. Dort stieg bei mobilen Messungen der Stadt sowohl die Zahl der Verstöße als auch die der Fahrverbote. Und zwar kräftig. Den Führerschein abgeben mussten dort 429 Autofahrer nach 277 im Jahr zuvor. Und auch von der Verkehrspolizei, die ebenfalls mobil überwacht, kommen keine beruhigenden Zahlen. Dort spricht man von einer „relativ hohen Kontrolldichte“. Die Polizei erwischte allein 548 Fahrer, die in Stuttgart mehr als 40 km/h zu schnell unterwegs waren. Drei der vier Spitzenreiter bretterten dabei über die Wildparkstraße. Der Schnellste von ihnen brachte es bei erlaubten 80 Stundenkilometern auf sage und schreibe 197 Sachen.
Hochbetrieb an den Starenkästen: Der Hauptgrund für den massiven Anstieg der Fahrverbote und die hohe Zahl der gemessenen Tempoverstöße im Stadtgebiet hat einen klaren Namen: Theodor-Heuss-Straße. Seit Mai 2016 gibt es dort und an der Friedrichstraße zwei stationäre Überwachungsanlagen. Gleichzeitig ist nachts das Tempolimit auf 30 km/h gesenkt worden, um die Partyszene auszubremsen. Die Maßnahmen zeigen durchschlagende Ergebnisse: Allein bis Jahresende hat es an den beiden neuen Säulen 78 000 Fahrer erwischt. Wegen der Tempo-30-Regelung verlieren dort auch besonders viele Betroffene ihren Führerschein: 417 in den ersten gut sieben Monaten. An den anderen Anlagen hielten sich Zuwächse und Abnahmen der Verstöße einigermaßen die Waage.
Raserrevier Autobahn: Auf den Bundesautobahnen in Baden-Württemberg zählen die Behörden immer mehr Verstöße und Fahrverbote- Damit steigt auch die Zahl der Unfälle. Häufigste Ursache: überhöhte Geschwindigkeit. Das ist auf den Autobahnen rund um Stuttgart nicht anders. Obwohl die vier stationären Anlagen an der A 8 mittlerweile seit einigen Jahren stehen, blitzt es dort im Minutentakt. 322 000 Temposünder sind allein dort im vergangenen Jahr erwischt worden, dazu kommen mobile Kontrollen. Auf den Autobahnen rund um die Landeshauptstadt haben 2016 mehr als 3800 Autofahrer ihren Führerschein verloren. Der Schnellste war dabei auf der A 8 mit 223 Sachen unterwegs, wo Tempo 120 gilt.