Im Nordbahnhofviertel liegen einige der ehemaligen LBBW-Wohnungen, deren Mieter sich Sorgen über Mieterhöhungen machen. Foto: Ina Schäfer

Eine Räumungsklage gegen einen Mieter im Nordbahnhofviertel scheitert. Wie der Mieter nun allerdings die Mängel in der Wohnung repariert bekommt, ist offen.

S-Nord - Mit einem solchen Menschenauflauf hat die Richterin Regine Heering nicht gerechnet: Als sich alle Zuschauer auf den Bänken des kleinen Saals im Amtsgericht verteilt haben, ist kein Platz mehr frei.

Verhandelt wird die Räumungsklage gegen Paul Kahlweis; Kahlweis lebt im Nordbahnhofviertel, in einer Wohnung, die im Zuge des Verkaufs der LBBW-Wohnungen an die Augsburger Patrizia AG und deren Tochtergesellschaft Südewo gegangen ist. Und das ist auch der Grund, warum sich so viele Zuschauer eingefunden haben: Die meisten von ihnen leben ebenfalls in ehemaligen Eisenbahnerwohnungen, die nun verkauft sind, viele engagieren sich in den Mieterinitiativen im Hallschlag oder im Nordbahnhofviertel. Und ebenfalls gemein ist ihnen die Sorge über steigende Mieten und die Frage, wie es weitergehen soll.

Ein Viertel mehr Miete

Paul Kahlweis lebt seit fast 28 Jahren in seiner Wohnung. Nach mehreren Mieterhöhungen in den vergangenen Jahren bezahlt er mittlerweile mehr als ein Viertel mehr an Miete. Außerdem entrichtet er 40 Euro monatlich für Schönheitsreparaturen – die, wie er sagt, gar nicht oder nur auf Druck der Mieter ausgeführt werden. Kahlweis hat daraufhin mit Unterstützung seines Anwalts von seinem Recht auf Mietminderung Gebrauch gemacht. Deshalb die Räumungsklage: Denn sobald jemand mit zwei ganzen Monatsmieten im Rückstand ist, kann der Vermieter fristlos kündigen.

Dies ist auch geschehen, sagt die Südewo, allerdings hat Paul Kahlweis den ausstehenden Betrag von etwa 1000 Euro im vergangenen Jahr noch bezahlt. „Man hat zwei Monate nach der Einreichung einer Räumungsklage die Möglichkeit, den ausstehenden Betrag zu bezahlen“, erklärt Stefan Weiler vom Rechtsanwaltsbüro Berth & Hägele. Weiler ist Kahlweis’ Rechtsbeistand.

Das ist auch das Erste, was die Richterin feststellt: „Die Zahlung ist eingegangen“, sagt sie und schlägt der Klägerseite vor, die Sache als erledigt zu erklären. Auch Stefan Weiler sagt: „Die Kündigung ist aufgrund eines Zahlungsrückstands erfolgt, der nicht mehr besteht.“ Der Rechtsanwalt der Südewo, Guido Amend, sieht sich allerdings nicht in der Lage, die Sache als erledigt anzusehen, spricht von einer zweiten Kündigung, die Kahlweis zugestellt worden sei, und davon, dass der Räumungsantrag aufrechterhalten werde. Weiler betont, dass diese Kündigung Kahlweis nicht erreicht habe. Die Richterin lässt durchblicken, dass sie mit dieser Haltung des Klägers nichts anfangen kann. Das Gericht sehe den Räumungsgrund als nicht vorhanden an, sagt sie: „Das macht die Kündigung nachträglich unwirksam.“ Und so entscheidet das Gericht dann auch: Die Klage wird abgewiesen.

Wie bekommt der Mieter die Mängel repariert?

Stefan Weiler sagt sogar: „Da sind wir haarscharf am Rande des Prozessbetrugs.“ Denn: Laut Südewo ist die erneute fristlose Kündigung am 19. Dezember 2014 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt, sagt Weiler, habe Kahlweis den ausstehenden Betrag aber bereits getilgt gehabt: „Die Südewo weiß das, sie muss das wissen.“ Auch dass Kahlweis’ Kontostand über Mietzahlungen bei der Südewo erst auf Nachfrage des Gerichts zur Verfügung gestellt worden sei, sei nicht akzeptabel: „Der Mieter muss ja erkennen können, warum ihm gekündigt wird“, so Weiler.

Für Paul Kahlweis stellt sich nun die Frage, wie er die Schäden an seiner Wohnung repariert bekommt. Er und sein Anwalt sprechen von Rissen in Wänden, kaputten Fenstern und einem Keller voller Ratten. Sie überlegen derzeit, eine Klage auf Beseitigung der Mängel anzustrengen. „Wenn kein anderer Weg erfolgreich ist, wäre das eine Möglichkeit“, sagt Weiler. Für Paul Kahlweis ist es eine nervenaufreibende Zeit gewesen. Ob er eine zweite Klage auf sich nehmen will, weiß er noch nicht. Er sagt aber auch: „Wenn man unbequem ist, soll man gehen – so sieht das für mich aus.“ Aufgeben will er nicht.