In Deutschland gibt es rund 70 Millionen Fahrräder – eine Kennzeichenpflicht gilt dem Verkehrsministerium daher als nicht realisierbar. Foto: dpa

Eine Initiative will Fahrräder mit Mopeds gleichstellen – Verkehrsminister Hermann halten das allerdings für unverhältnismäßig.

Stuttgart/Frankfurt - Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat sie schon länger auf dem Kieker: Er spricht ganz unverhohlen von „Kampf-Radlern“, die ohne Rücksicht auf Verluste über Gehwege brettern, rote Ampeln gern mal rote Ampeln sein lassen und Verkehrsregeln als etwas missachten, was nur für Autofahrer Gültigkeit besitzt. Daher erarbeitet das Verkehrsministerium einen verschärften Bußgeldkatalog, der im Frühjahr in Kraft treten soll.

Für Bernd Irrgang sind höhere Strafen nicht mehr als ein stumpfes Schwert. Irrgang steht dem Bund für Fußgänger vor, der sich einer Kennzeichenpflicht für sämtliche Zweiräder verschrieben hat. „Nur damit lässt sich erreichen, dass gesetzeskonformer gefahren wird“, meint er. Sein Verein mit Sitz in Frankfurt hat bereits ein Konzept erarbeitet. Es sieht vor, dass Fahrräder beim Kauf mit einem Kennzeichen versehen werden, ähnlich dem eines Mopeds. Das Nummernschild sollte am Schutzblech vernietet oder am Rahmen montiert werden – auf alle Fälle sichtbar, denn darum geht es der Initiative: Dass jeder Radfahrer identifizierbar wird. Und Unfallopfer bei der Polizei mehr angeben können als: Er hatte rote Haare und ein grünes Rad.

Irrgang rechnet vor: Beim Kauf eines Rads würden 25 Euro anfallen. 20 Euro für das Kennzeichen plus Haftpflichtversicherung und die Verwaltungsarbeit, die für den Händler anfällt. Fünf Euro kämen dem Staatssäckel zugute, um neue Radwege und Abstellplätze zu bauen – Stichwort nutzerfinanzierte Infrastruktur. Für jedes weitere Jahr beim Fahrrad-Tüv sollten weitere 15 Euro pro Rad anfallen.

Für Irrgang hätte das Modell nur Vorteile. „In vielen Haftpflichtversicherungen ist das Fahrrad nicht mit drin. Wer einen Unfall baut, wird ja fast zur Unfallflucht gezwungen.“ Doch nicht nur haftungsrechtliche Fragen spielen in seinen Überlegeungen eine Rolle. Kennzeichen könnten auch Diebstähle erschweren – geklaute Räder ohne Plakette seien schwerer verkäuflich. Im Grundsatz geht es dem Fußgänger-Bund um die Gleichstellung mit anderen Verkehrsteilnehmern. Schließlich würde das Fahrrad mit Blick auf die Entwicklung mit Elektroantrieb immer mehr zum gleichberechtigten Verkehrsmittel.

Schweiz hat die Velo-Vignette abgeschafft

Irrgang: „Als Fußgänger hat man zwei natürliche Feinde: Den Auto- und den Fahrradfahrer – zumindest wenn er sich nicht an die Regeln hält.“ Viele Radler würden leider fahren „wie sie wollen, wann sie wollen, wo sie wollen“. In klassischen Fahrradstädten wie Freiburg, Münster oder Heidelberg zögen die Fußgänger auf Gehwegen schon lange den Kürzeren. Viele Kommunen würden sich in puncto Fahrradfreundlichkeit überbieten. „Jetzt wird man die Geister, die man rief, nicht mehr los.“

Irrgang legt wert auf die Feststellung, kein Fahrrad-Hasser zu sein. „Ich fahre selbst Rad und mir sind 5000 Fahrräder immer noch lieber als 5000 Autos.“ Aber irgendwann sei es auch mal an der Zeit, die Belange der Fußgänger stärker zu berücksichtigen – in einer alternden Gesellschaft zumal.

Mit verschiedenen lokalen Initiativen ist der Bund der Fußgänger im ganzen Land aktiv. Unlängst wandte sich der Verein mit seinen überwiegend älteren Mitgliedern an Peter Ramsauer. Vergebens. Der Bundesverkehrsminister hält nichts von der Idee. Bei 70 Millionen Fahrrädern in Deutschland sei eine Kennzeichnungspflicht nicht realisierbar. Ähnlich äußert sich das Verkehrsministerium in Stuttgart: Unverhältnismäßig und unangemessen. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erteilte erst vor wenigen Tagen CDU-Plänen einer Kennzeichenpflicht für E-Bikes eine Absage.

Auch international ist das Fahrradkennzeichen auf dem Rückzug: In Chinas Hauptstadt Peking wurde die Registrierungspflicht inzwischen aufgehoben; gleichwohl gilt sie in anderen Teilen des Landes weiter fort. Und auch die Schweiz hält das Fahrradkennzeichen für nicht mehr zeitgemäß. Die Velo-Vignette wurde Anfang des Jahres abgeschafft. Begründung: Der Verwaltungsaufwand sei größer als der Nutzen.