1937 wurde der Platz umbenannt. Foto: Franckh-Kosmos-Verlag, Stadtarchiv Stuttgart

Zu Recherchen hat sich der 18-jährige Clemens Ernst im Stadtarchiv vergraben, um einen verschwundenen Ort wiederzufinden: den Herbert-Norkus-Platz.

S-West - Zwei Wochen lang hat sich Clemens Ernst zu Recherchen im Stadtarchiv vergraben, um einen lang verschwundenen Ort wiederzufinden. Er war dabei, für die Initiative Stadtraum West historisches Bildmaterial über den Stadtbezirk zusammenzutragen und war dabei auf eine sonderbare Postkarte gestoßen. Sie zeigte einen wohlgeordneten Park, den der 18-Jährige zunächst nicht zu verorten vermochte und dessen Namen, „Herbert-Norkus-Platz“, er nirgends verzeichnet fand. Er nutzte die freie Zeit zwischen Abitur und beginnendem Studium für eine hartnäckige Recherche, die am Ende auch belohnt wurde. „Anhand von alten Stadtplänen und nachdem ich die Gebäude auf der Postkarte identifiziert hatte, war klar, dass es sich dabei bloß um die Elisabethenanlage handeln kann.“

Vom Abstell- zum Vorzeigeplatz

Clemens Ernst fand heraus, dass die Freifläche zwischen Elisabethen-, Bismarck- und Hasenbergstraße erst 1937 in Herbert-Norkus-Platz umbenannt worden sein musste. Norkus (1916 – 1932) war ein Hitlerjunge gewesen, der bei einer Propaganda-Aktion getötet wurde – angeblich von Kommunisten. In der Folge ist er von den Nationalsozialisten als „Vorbild für den kämpferischen Einsatz der Hitler-Jugend“ und als „Blutzeuge der Bewegung“ verklärt worden. In zahlreichen Städten wurden Plätze und Straßen nach Norkus benannt. Sein Todestag, der 24. Januar, wurde zum Trauertag der nationalsozialistischen Jugend erklärt. So nimmt es nicht Wunder, dass auch die Eröffnung des Stuttgarter Parks nicht etwa während der Frühjahrsblüte erfolgte, sondern am 24. Januar 1937.

Ernst hat einen Bericht aus dem „Stuttgarter Neuen Tagblatt“ von 1937 aufgetan, demzufolge der Platz, „früher unter dem Namen Hasenberganlägle neben unschönen Abstell- und Lagerplätzen ein mehr als klägliches Dasein fristete“. Nun sei er zu einem „der schönsten und größten Erholungsplätze für Kinder und Erwachsene“ umgestaltet. Die Einweihung wurde mit allerhand Nazi-Pomp zelebriert – mit Kapellen, Fahnen, Formationen von Hitlerjugend, Bund deutscher Mädel und Jungvolk.

Der Gemeinderat Kroll legte an jenem winterlichen Sonntag für seine „Weihrede“ das große Besteck auf: „Er erinnerte an die Tatkraft, den Mut und Opfersinn, die stets unsere Jugend auszeichneten“, kolportiert der „Stuttgarter NS-Kurier“ in seiner Ausgabe vom 25. Januar 1937. Und wenn man schon einen „der schönsten Plätze Stuttgarts“ dem „tragischen Opfertod des jungen Kämpfers“ Herbert Norkus widme, dann solle sich der Nachwuchs doch nun bitteschön auch von dessen „kämpferischem Geist“ beseelen lassen.

Ein großer Rasen wäre schön

Als sich das „Tausendjährige Reich“ nach zwölf Jahren erledigt hatte, war auch Stuttgarts Norkus-Platz für immer verschwunden. Dem Namen trauert heute niemand nach, aber die Parkanlage von 1937 sei schon sehr ansehnlich gewesen, sagt Clemens Ernst. „Die großzügigen Rasenflächen wirken so hell und freundlich. Es gab Spielflächen für Kinder, Bereiche zum Sitzen und Flanieren. Alles war klar gegliedert und übersichtlich.“ Die freien Blickachsen hätten diesen Park noch in der Dämmerung zu einem sicheren Ort gemacht. „Heute ist das Areal zugewuchert, zerstückelt, dunkel und ungemütlich. Man hat der Stadt hier ein Stück Natur zurückgegeben. In der Stadt ist kontrollierte Natur aber sehr viel schöner“, urteilt Ernst.

Insbesondere die gemähten Grünflächen von einst würde er sich zurückwünschen. „Man kann darauf sitzen, Fußball spielen oder grillen. Sie sind so vielseitig nutzbar!“ Da die Elisabetenanlage zum Sanierungsgebiet S 28 gehört, setzt Ernst auf eine grundlegende Umgestaltung des Parks in den nächsten Jahren. Damit sich mehr Bewohner im Westen in die Bürgerbeteiligung einklinken und ihre Ideen einspeisen, schlägt er vor, einen Wettbewerb zu veranstalten. „Die Bürger sollten aufgerufen werden, sich einen neuen Namen für die Elisabethenanlage zu überlegen. Der beste Vorschlag gewinnt!“ Ernst ist überzeugt, dass das die Identifikation der Bürger mit diesem grünen Dreieck steigern würde.

Seit einiger Zeit schon engagiert sich Ernst in der Initiative Stadtraum West, die seine Eltern ins Leben gerufen haben. Momentan suchen die Aktivisten nach historischen Fotos aus dem Stuttgarter Westen für ihre eine Ausstellung über den Stadtbezirk. Wer Bilder beitragen möchte, kann sich telefonisch unter der Nummer 6 07 03 15 melden.