Ein Motiv-QR-Code von Oerny Lunke Foto: StN

Oerny Lunke erstellt bunte QR-Codes mit Motiv. Er liebt moderne Technik und die Historie seiner Heimat.

Stuttgart - TY-Oerny Bernhard Rudolf Lunke. Kurz TY-Oerny B. R. Lunke. Wer unter einem solchen Namen durchs Leben reist, den füllt eine Sache allein nicht aus.

Das alte Bauernhaus in der Fraubronnstraße in Plieningen hat der 51-Jährige eigenhändig renoviert, die Scheune ausgebaut. An der Wand hängen vier bunte Tafeln, Labyrinthe für Ameisen, so scheint’s. Doch zu diesen sogenannten QR-Codes später mehr. Bevor wir durch die Weiten des Internets surfen, erkunden wir die Scheune. Im Erdgeschoss parkt Lunke seine Harley, einst selbst gebaut. Am Rechner entworfen, dann mit einem 1600-Kubikzentimeter-Motor gebaut. Dass er damit durch Europa bretterte, ein Harley-Festival organisierte, Motorräder per Airbrush verzierte wie auch das Fahrgeschäft Transformer oder das Segelflugzeug von Europameister Uli Schwenk , versteht sich fast von selbst. Zudem sammelte er Hunderttausende Bilder von Airbrush-Kunst, veröffentlichte sie vor knapp 20 Jahren auf CD-Rom. „Ich war einer der Ersten auf der Welt, die dieses Speichermedium nutzten“, sagt er.

Sich die Finger selbst dreckig machen, als Rocker am Motor schrauben und wenig später wie ein Eierkopf am Rechner Bits und Bytes zusammenbasteln: Lunke liebt die Gegensätze. Steigt man in den ersten Stock, findet man rechter Hand Hunderte von Fahrrädern, die „er irgendwann mal aufmöbeln will“, linker Hand steht ein Schaltkasten, der eine Computeranlage steuert, auf die Bill Gates stolz wäre. Auf dem Boden verteilt liegen Fotos. In Schwarz-Weiß zeigen sie Menschen aus Plieningen. Die meisten längst tot, erhalten geblieben auf Fotos. Bevor sie ganz zerfallen, scannt Lunke sie ein und erstellt ein Buch über die Historie Plieningens. „Mittlerweile kommen alle Plieninger zu mir und bringen mir ihre alten Familienfotos.“ Einen Bildband hat er bereits veröffentlicht, mit GPS-Daten, mittels Satellit kann man mit diesen Daten den Ort finden, an dem die Bilder aufgenommen wurden.

Den Code gibt’s auch mit Filderkraut

Alt und Neu, Modernes und Vergangenes, Lunke beschäftigt sich mit allem. Eine Hose aus Hirschleder hat er angezogen, dazu ein Trachtenhemd übergestreift, nun holt er eine rote Mütze mit Toddel dran,setzt sie auf den Kopf. „Das ist die Röslestracht“, sagt er, Plieningen muss man wissen, ist das Röslesland. Und Lunke ist eine Lederhose. So nennen sich er und seine Mitstreiter, die das Andenken Plieningens hochhalten wollen. Und dabei die Lokalpolitik nerven. Etwa wenn das Bezirksrathaus nach Ansicht der Lederhosen in der falschen Farbe gestrichen wird. Lunke plaudert über die Historie, zeigt sein Fuhrmannsbesteck, das er hat anfertigen lassen. Und springt vom 18. Jahrhundert unversehens ins 21. Jahrhundert. Er legt Messer und Gabel beiseite und zieht einen Stapel Papier heran. Ausdrucke sind es, Wimmelbilder für Erwachsene. Sie sehen aus wie wirre Testbilder oder Labyrinthe für Ameisen. Doch so willkürlich die Muster scheinen, sie sind akkurat angeordnet. Darin sind Infos verschlüsselt, die ein modernes Handy lesen kann. Es übersetzt die Striche in Text.

QR-Codes heißen sie. QR ist die Abkürzung für Quick Response, das ist englisch und bedeutet schnelle Antwort. Die Japaner haben ihn erfunden, damit die Roboter wissen, wie sie ein Auto zusammenbauen sollen. Lunke sei einer der Ersten gewesen, sagt er, die erkannt haben, wie nützlich diese QR-Codes sind. Und der Erste sei er, der farbige QR-Codes erstellt, mit integriertem Bild. „Die sehen nicht so langweilig aus wie die schwarz-weißen. Und man sieht sofort, worum es sich handelt.“ Dem Obst- und Gartenbauverein Plieningen hat er einen beschert, mit Apfel und Kirsche zwischen den Linien.

„Mich kann man scannen“

Der hängt jetzt an den Gärten der Mitglieder. „Und wenn Sie vorbeilaufen, können Sie mit Ihrem Handy den Code einscannen und kommen auf die Webseite des Vereins, können sich informieren oder eine Nachricht schicken.“ Der moderne Gärtner braucht keinen grünen Daumen mehr, sondern einen flinken auf der Tastatur. Den Code gibt’s übrigens auch mit Filderkraut. Allerdings empfiehlt es sich, diesen nicht in Essig einzulegen. Für so ziemlich jeden Verein in Plieningen hat Lunke unentgeltlich einen QR-Code gebastelt. Und für die Feuerwehr.

Aber er lebt mit seiner Agentur natürlich davon, Geld zu verdienen. „Die Codes sind Standard, sie gehören zum Auftritt dazu, auf jedes Werbemittel, auf den Briefkopf, auf die Visitenkarte.“ Also hat er welche für den Motorradhersteller Boss Hoss gebastelt, mit Motorrad im Zentrum. Papst & Fischer reparieren etwa Motoren für Oldtimer, aus ihrem QR-Code fährt auf Weißwandreifen ein Sportwagen heraus. „Da können Sie alles machen, was Sie wollen“, sagt Lunke, „Bilder sagen eben mehr als tausend Worte.“ Deshalb sei er sicher, „dass sich das durchsetzt“ .

Auch wenn ihn mancher einen Spinner geheißen habe, der seine Zeit mit Spielereien verschenke. „Aber das war bei den CD-Roms und dem Internet auch so gewesen.“ Vor 17 Jahren hat er angefangen, Webseiten zu bauen. „Die habe ich angeboten wie saures Bier, kein Mensch hat sich dafür interessiert!“ Internet? „Eine Modeerscheinung“ sei das, habe man gesagt. Klar, dass Lunke als Pionier mehrere Webseiten hat. Und mehrere QR-Codes. Die er sich sogar aufs T-Shirt hat drucken lassen. „Mich kann man scannen.“ Und via Handy kennenlernen. All seine Identitäten und Interessen. Und merkt: Eine Sache allein füllt ihn nicht aus.