Anni Weigand, die 50 Jahre lang das Theater La Plapper Papp geleitet hat, verabschiedet sich im Sommer mit ihren bunten Geschöpfen Foto: Framl

Schweren Herzens schließt Anni Weigand, die Grand Dame des Stuttgarter Puppenspiels, mit 96 Jahren ihr Theater La Plapper Papp für immer. In fünf Jahrzehnten hat sie nur bei einer einzigen Vorstellung gefehlt.

Stuttgart - Papperlapapp! Wer dummes Zeug rausredet, sich in Ausflüchten ergeht, muss damit rechnen, dass er mit einem Ausruf gebremst wird. Papperlapapp! Wenn man dieses lautmalerische Wort nur ein wenig verdreht, sind die Assoziationen ganz andere. La Plapper Papp – das klingt in Stuttgart nach Poesie, nach Parodie, nach plappernden Papp-Puppen mit Plüsch. Wir sehen: Mitunter sind nur kleine Veränderungen nötig, um eine neue Sicht auf die Welt zu bekommen.

Anni Weigand, die Grande Dame des Stuttgarter Puppenspiels, versteht es, mit einfachen Mitteln die Fantasie zu beflügeln. Vor 50 Jahren hat sie La Plapper Papp gegründet, wenig später kam die feste Bühne im Gewölbekeller des Werkstatthauses Ost dazu. In fünf Jahrzehnten fehlte sie nur bei einer einzigen Vorstellung, als sie im Krankenhaus lag. „Wenn ich sonst krank war, dann allenfalls zwei Tage lang – aber nie an Aufführungstagen“, sagt die Mutter der knallbunten Stabpuppenkompanie.

Fünf Abende zum Abschied im Juli

Mit hinreißenden Geschöpfen, deren Münder und Oberweiten groß sind, aber vor allem auch deren Herzen hat sie Generationen von Stuttgartern verzaubert. Ihre Shows trugen lustvolle Titel wie „Frivoletto“ und „Tausendundeine Pracht“. Schweren Herzens hat sich Anni Weigand nun dazu durchgerungen, den Abschied für den Sommer zu verkünden. Es geht leider nicht anders. „Die Beine wollen nicht mehr“, sagt sie. Vor zwei Jahren hat die Prinzipalin aufgehört, Auto zu fahren. Sie muss sich von Spielern abholen lassen oder fährt Taxi. Das macht unfrei. Aber was noch schlimmer für sie ist: Seit einigen Monaten kann sie nicht mehr ein Programm durchspielen, sondern nur noch kurze Szenen.

Die „Anni“ ist trotzdem bei jeder Aufführung und jeder Probe dabei, begrüßt die Besucher, setzt ihnen lustige Hütchen auf. Dies will sie auch beim Finale mit Höhepunkten aus 50 Jahren tun (für fünf Abende vom 1. bis zum 23. Juli gibt es Karten über mail@la-plapper-papp.de). Sie hofft, dass ihre Energie dafür reicht. Das Altwerden ist nicht so lustig wie ihre Revuen. „Wenn du 96 bist“, sagt die Theaterchefin, „sind die meisten deiner Freunde tot.“

Puppen dagegen altern nicht. Auch nach vielen Jahrzehnten sind ihre Bewegungen kess und geschmeidig wie eh und je. Wären Menschen so lange zur Musik herumgehüpft, die Knochen würden krachen, die Gelenke wären hinüber.

Ihre Puppen tanzen ins Stadtmuseum

Nachfahren, die ihr Erbe übernehmen könnten, gibt es bei Anni Weigand nicht. „Meine Puppen sind meine Kinder“, hat sie oft gesagt. Sie hat demnach 200 Kinder, also Puppen. Ein Großteil davon geht an das Stadtmuseum. Doch niemand hat sich gefunden, der die Puppenbühne des Kellertheaters übernehmen will. Wahrscheinlich traut sich keiner, in ihre Fußstapfen zu treten. Nun also macht Anni Weigand den endgültigen Schnitt. Im nächsten Jahr soll das Werkstatthaus Ost samt Kellerbühne saniert werden. Was dann kommt, ist offen.

Von 1954 bis 1980 lehrte Anni Weigand bildhaftes Gestalten im Jugendhaus Ost. Mit 96 geht sie nun auch als Theaterchefin in den Ruhestand. Und ihre Kinder, also die Puppen, tanzen ins Museum. Eine einzigartige Karriere endet im fast biblischen Alter. Da ist die Dankbarkeit groß, so oft mit ihr im „Lustballon“ gereist zu sein. Denn nicht nur Kindern tun Puppen gut.