Vor dem Landgericht Heilbronn wird derzeit der Fall eines an Schizophrenie erkrankten Angeklagten verhandelt. Foto: dpa

Er nahm seit 20 Jahren Drogen und leidet unter paranoider Schizophrenie. Um seinem Leben ein Ende zu setzen, griff er Polizisten in Bietigheim-Bissingen an. Jetzt steht der 39-Jährige vor Gericht.

Bietigheim-Bissingen - Sie waren kurz davor, uns zum Äußersten zu zwingen“, sagte der Polizist in Richtung des Angeklagten. Der vor dem Landgericht Heilbronn Beschuldigte, ein 39 Jahre alter Mann aus Bietigheim-Bissingen, soll im Juli des vergangenen Jahres mehrere Streifenwagen vor dem Polizeirevier in Bietigheim-Bissingen mit einem Vierkantholz beschädigt haben. Als die Beamten aus dem Gebäude kamen, ist er laut Anklage mit dem Holz auf sie zugekommen. Dabei habe er, das Holz schwingend, gerufen: „Wer will als erstes? Jetzt erschießt mich doch endlich!“ Doch die vier Beamten konnten ihn mit Pfefferspray überwältigen, die gezogene Pistole kam nicht zum Einsatz.

Es ist die dramatischste Episode in einem Prozess gegen einen Mann, der wegen psychischer Probleme zurzeit in einer geschlossenen Psychiatrie im Landkreis untergebracht ist. Seit 2008 soll er an einer paranoiden Schizophrenie leiden. Voriges Jahr beging er dann laut Anklage mehrere Straftaten: In Salzburg beschädigte er ein Polizeiauto, in Bietigheim schlug und bedrohte er seinen Vater und beschädigte das Auto seines Bruders. Gegen seine erneute Einweisung in eine geschlossene Psychiatrie habe er sich vehement gewehrt, gespuckt und um sich geschlagen.

Der Angeklagte zeigt sich reuig

Beim Verhandlungstermin in Heilbronn gab sich der Angeklagte reuig: Er entschuldigte sich bei den aussagenden Polizisten und legte dar, dass er seit 20 Jahren drogenabhängig gewesen sei. „Das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben.“ Zuerst sei es Haschisch gewesen, dann kamen Kokain und Amphetamine dazu. Die Drogen hätten in ihm manische Zustände ausgelöst. „Ich habe mich gefühlt als wäre ich der Mensch 2.0“, sagte der Angeklagte auf Nachfrage der Richterin.

Auch Wahnvorstellungen habe er dadurch bekommen. So dachte er, dass sein Bruder pädophil sei und er selbst HIV positiv sei, was beides nicht der Fall ist. Bei seinem Widerstand gegen Polizeibeamten habe er daher auch versucht, den Polizisten ins Gesicht zu spucken mit den Worten: „Ich hoffe, ich stecke euch mit HIV an.“

Das erste Mal Haschisch mit 17

Mit 17 habe er zum ersten Mal Haschisch probiert bei einer Klassenfahrt. Die weitere Biografie des Mannes ist dann geprägt vom Scheitern: das Abitur nicht geschafft, mehrere Ausbildungen abgebrochen, wegen Geld- und Drogenproblemen mit dem Vater verkracht. Wegen seiner Psychose habe er sich auch mehrmals freiwillig in psychiatrische Behandlung begeben, sei aber stets schnell wieder als nicht krank entlassen worden.

Dem Streit mit den Eltern, die ihn mittlerweile wieder in eine Psychiatrie einweisen wollten, entfloh er ins Ausland, beispielsweise nach Marseille, wo der Angeklagte nach eigenen Angaben drei Monate auf der Straße lebte. „Kein einfaches Pflaster“, kommentierte er in der Verhandlung. In Salzburg habe er einen Neuanfang als Tellerwäscher versucht. Als das nicht klappte, lebte er auf der Straße. Das Polizeiauto habe er dort beschädigt, „um eine Nacht in der Gefängniszelle verbringen zu können und um eine Mahlzeit zu bekommen“. Der Streit mit seinem Vater drei Monate später sei eskaliert, weil dieser ihm seine EC-Karte weggenommen habe.

Der Prozess wird Anfang März fortgesetzt. Ein Urteil soll am 7. März fallen.