Anwalt Remo Klinger (links) und Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe machen es Daimler vor Gericht schwer. Foto: dpa

In die Abgasreinigung BlueTec setzt Daimler große Hoffnungen. Wegen teilweise hoher Schadstoffwerte im Straßenverkehr laufen aber verschiedene Verfahren – auch in Stuttgart.

Stuttgart - Im Streit um Werbeaussagen für Daimlers Diesel-Technologie BluTec hat die Deutsche Umwelthilfe DUH einen Etappensieg gegen den Konzern errungen. In mehreren wichtigen Fragen folgte das Landgericht Stuttgart der Auffassung der Berliner Umweltorganisation, die unter anderem durch Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch vertreten war. Daimler muss nun bis Ende Mai Details zu der umstrittenen Motorsteuerung vorlegen, die dazu führt, dass die Autos unter Bedingungen des realen Straßenbetriebs teilweise wesentlich höhere Mengen an Stickoxid ausstoßen als auf dem Prüfstand. Die DUH hatte Daimler auf Unterlassung verklagt, weil die Aussage, wonach die Abgasreinigungstechnologie BlueTec die Emissionen auf ein „Minimum“ reduziere, die Verbraucher täusche. Damit verschaffe sich der Konzern im Wettbewerb mit anderen Unternehmen rechtswidrige Vorteile.

Die Prozessvertreter von Daimler erklärten dagegen, die Fahrzeuge erfüllten alle Voraussetzungen für die Zulassung; zudem wisse der Verbraucher, dass Abgaswerte unter Laborbedingungen gemessen werden, die von denen im Straßenverkehr abwichen. Es gebe daher keinen Grund, sich in dem Prozess mit der Funktionsweise der Abgasregulierung zu beschäftigen. DUH-Bundesgeschäftsführer Resch berichtete allerdings von Tests, bei denen die Abgaswerte von Daimler-BlueTec-Fahrzeugen zunächst auf dem Prüfstand gemessen wurden und danach mit den gleichen Testzyklen auf der Straße. Bei einer Außentemperatur von fünf Grad seien die Stickoxidwerte bei sonst gleichen Bedingungen um 800 Prozent höher gewesen als bei zwölf Grad, berichtete Resch. Davon habe der Verbraucher, der BlueTec-Autos auch wegen seiner behaupteten Umwelteigenschaften kaufe, aber keine Ahnung. Deshalb sei die Werbung irreführend.

Daimler-Vertreter wollten am liebsten gar nicht über die Abgasregulierung reden

Die Daimler-Vertreter bestreiten jedoch, dass es überhaupt Abschalteinrichtungen gebe. Allerdings liegt dem Gericht ein internes Daimler-Papier vor, wonach der „Wirkungsgrad“ an die Betriebsbedingungen angepasst werde. Vor diesem Hintergrund zeigte sich die Richterin unzufrieden mit dem Daimler-Vortrag. „Was sind das für Betriebsbedingungen, an die die Steuerung angepasst wird?“, fragte sie und bezeichnete die Aussagen als „sibyllinisch“. Die Daimler-Vertreter erklärten, die Funktionsweise könnten sie nicht erläutern. Dies werden sie nun allerdings müssen – bis Anfang Juni haben sie dafür Zeit. Auf die DUH bekam Hausaufgaben aufgebrummt: Sie muss in der gleichen Frist die Testergebnisse, auf die sie ihre Vorwürfe stützt, einreichen.

Für das Gericht kommt es bei der Beurteilung der Werbeaussage offenbar nicht nur darauf an, ob die auf dem Prüfstand ermittelten, für die Zulassung benötigten Abgaswerte eingehalten sind, sondern auch darauf, ob die Fahrer auch unter den echten Bedingungen so sauber unterwegs sind, wie es laut Werbung den Anschein hat.

Strittige Frage: Muss eine Werbeaussage einen Sinn ergeben?

Allerdings ist auch die Frage, welchen Eindruck die Werbung beim normalen Verbraucher erweckt, durchaus strittig. „BlueTec reduziert die Emissionswerte unserer hochmodernen Dieselmotoren auf ein Minimum“, so lautet eine Schlüsselpassage der beanstandeten Werbung. Die DUH verweist auf den BMW 530d, der wesentlich besser abgeschnitten habe als das Daimler-Modell. Von einem Minimum könne somit keine Rede sein. Nach Daimler-Auffassung behauptet die Aussage vom „Minimum“ allerdings nicht, dass die BlueTec-Motoren weniger Abgas ausstoßen als die anderer Hersteller. Es sei schließlich nur die Rede von „unseren“ Motoren, während andere Firmen gar nicht erwähnt würden. Der DUH-Vertreter erklärte dieses Argument zu einem „Zirkelschluss“. Die Aussage „unsere Motoren schaffen das Minimum unserer Motoren“ wäre seiner Ansicht nach völlig sinnfrei. Der Daimler-Vertreter hielt dagegen, in der Werbung spiele es keine Rolle, ob eine Aussage sinnvoll ist oder nicht.

Am 6. Juni will die Kammer nun ihre Entscheidung verkünden. Das Ergebnis ist offen; die umfangreichen Hausaufgaben zeigen allerdings, dass die dreiköpfige Kammer die Vorwürfe ernster nimmt als dies Daimler wohl lieb gewesen wäre.

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