Der Prozess um den gewaltsamen Tod der Studentin Tugce hat in Darmstadt begonnen. Der Angeklagte Sanel M. (links) sitzt mit seinem Verteidiger im Gerichtssaal. Foto: dpa

Vor rund fünf Monaten war die Studentin Tugce nach einer gewaltsamen Attacke zu Tode gekommen, nun hat der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter vor dem Landgericht Darmstadt begonnen. Zu Beginn der Verhandlung hat Sanel M. zugegeben, Tugce geohrfeigt zu haben.

Darmstadt - Zu Beginn des Prozesses um den gewaltsamen Tod der Studentin Tugce hat der Angeklagte den Angriff eingeräumt und sein tiefes Bedauern ausgedrückt. „Ich habe in der Tatnacht der Tugce eine Ohrfeige gegeben, und sie ist dann umgefallen“, sagte der 18 Jahre alte Sanel M. mit tränenerstickter Stimme am Freitag vor dem Landgericht Darmstadt. „Es tut mir unendlich leid, was ich getan habe. Ich habe niemals mit ihrem Tod gerechnet.“

Sanel M. soll die 22 Jahre alte Frau nach einem Streit im vergangenen November auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants in Offenbach mit der flachen Hand so geschlagen haben, dass sie stürzte und sich schwerste Kopferverletzungen zuzog. Tugce fiel ins Koma fiel, aus dem sie nicht mehr erwachte. Der Fall hatte bundesweit Betroffenheit erregt.

Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht?

Sanel M. ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Das Strafmaß ist offen, es hängt vor allem davon ab, ob im Falle einer Verurteilung Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewendet wird. Bei letzterem beträgt die Mindeststrafe drei Jahre Haft. Nach Jugendstrafrecht sind sechs Monate bis zehn Jahre möglich.

Der Anwalt der Familie, Macit Karaahmetoglu, zweifelte nach der Äußerung von Sanel M. an der Aufrichtigkeit des Angeklagten. Der 18-Jährige habe sich nicht mit der Tat auseinandergesetzt. „Es waren floskelhafte Sätze.“ Oberstaatsanwalt Alexander Homm vertrat eine andere Auffassung: „Die Aussage war von Emotionen und erkennbarer Reue geprägt.“

Die Familie der getöteten Lehramtsstudentin aus dem hessischen Gelnhausen ist als Nebenkläger in dem Verfahren vertreten. Als Sanel M. den Saal betrat, begann Tugces Mutter zu weinen. Vor der Vorführung der Videos von Überwachungskameras am Tatort verließ sie mit ihrem Mann den Gerichtssaal. Tugces jüngerer Bruder Dogus sagte, der Tod seiner Schwester habe die Familie völlig aus der Bahn geworfen.

Mädchen fühlten sich nicht bedroht

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernahm die Kammer am Nachmittag zwei Mädchen im Alter von 13 beziehungsweise 14 Jahren. Tugce soll ihnen vor dem tödlichen Schlag geholfen haben, als die beiden von dem Angeklagten und seinen Begleitern in der Damentoilette des Fast-Food-Lokals belästigt worden sein sollen. Oberstaatsanwalt Homm erklärte vor der Anhörung, die Mädchen hätten sich nicht bedroht gefühlt und zugetraut, allein aus der Situation herauszukommen. Nach den nicht-öffentlichen Aussagen beurteilten dies die Anwälte beider Seiten unterschiedlich.

Sanel M. sitzt seit der Tat in Untersuchungshaft. Er war laut Staatsanwaltschaft bereits viermal mit dem Gesetz in Konflikt geraten, darunter einmal wegen gefährlicher Körperverletzung. Er saß 2013 in Jugendarrest.

Für den Prozess hat die Jugendkammer des Landgerichts zehn Verhandlungstage geplant. Etwa 60 Zeugen und zwei Sachverständige sollen gehört werden. Ein Urteil wird Mitte Juni erwartet.

Etwa 50 Freude von Tugce trafen sich in der Nähe des Gerichts zu einer Mahnwache. Ihre Botschaft ist klar: „Tugce, Du bist nicht vergessen“, hieß es auf einem der Plakate. „Wir wollen auch der Familie von Tugce Kraft schenken“, sagt der Organisator der Mahnwache Murat Capri.