Hat der Angeklagte in Notwehr zugestochen? Das Landgericht muss entscheiden. Foto: dpa

Ein 24-jähriger Mann steht vor dem Landgericht, weil er einem Widersacher ein Messer in den Hals gerammt hat. Er selbst wurde angeschossen. Die Richter müssen entscheiden: Mordversuch oder Notwehr?

Stuttgart - Christos Psaltiras und Olaf Panten zeigen sich selbstbewusst. „Wir sind überzeugt, dass die Version unseres Mandanten stimmt“, sagen die Verteidiger. Ihr Mandant ist ein 24-jähriger Mann aus Stuttgart, der sich vor der 9. Strafkammer des Landgerichts wegen versuchten Mordes an einem 28-Jährigen verantworten muss und der sagt, er habe in Notwehr gehandelt. Der Prozess gegen ihn und seinen vier Jahre älteren Bruder, dem gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wird, läuft bereits seit Ende Oktober vorigen Jahres und sollte eigentlich schon längst beendet sein. Doch die Verteidiger sind hartnäckig.

Der Fall ist unübersichtlich und er lässt schaudern. Denn bei der Auseinandersetzung fielen Schüsse aus einer scharfen Pistole – am helllichten Nachmittag in Stuttgart-Heumaden, nahe der belebten Bushaltestelle Bockelstraße.

Am 27. April vergangenen Jahres hatten der Angeklagte und sein Bruder gegen 17 Uhr an der Bockelstraße einen anderen Burschen und dessen zwei Begleiter getroffen. Hintergrund soll ein Marihuanageschäft gewesen sein. Schon hier gehen die Versionen des Opfers und der Angeklagten auseinander. Das Opfer sagt, es sei nach Heumaden bestellt worden, weil ihm der jüngere Angeklagte noch Geld schulde. Der Hauptangeklagte widerspricht. Er sei nach Heumaden bestellt worden, weil er dem Opfer noch 600 Euro schulde. Laut Anklage sollen der Hauptangeklagte und sein Bruder auf das Opfer und dessen zwei Begleiter losgegangen sein. Der 24-Jährige habe seinem Widersacher ein Messer in den Hals gerammt, die Angeklagten hätten zudem einen Teleskopschlagstock und Pfefferspray eingesetzt und das 28-jährige am Boden liegende Opfer mit Tritten malträtiert. Erst als einer der Begleiter „in Notwehr“ in die Luft geschossen habe, hätten die Brüder vom Opfer abgelassen.

Opfer am Boden mit Tritten malträtiert

Die Verteidiger glauben dem 28-Jährigen, der durch den Stich in den Hals schwer verletzt worden war, und seinen Kumpeln kein Wort. So hatte der Schütze gesagt, er habe gar nicht gewusst, dass die Pistole scharf war. Er habe geglaubt, er habe eine Schreckschusswaffe bei sich. Auch habe er in die Luft geschossen.

Das sei widerlegt, so die Verteidiger. Es sei DNA-Material des Schützen an der Munition gefunden worden. Er müsse also gewusst haben, mit was er schießt. Außerdem war das Bein des Hauptangeklagten von einer Kugel durchschlagen worden, der Schusskanal war abgewinkelt. Das passe erstens nicht zu Schüssen in die Luft und zweitens deute der Schusskanal auf einen Schuss aus geringer Entfernung hin. Das und einiges mehr stütze die Version ihres Mandanten, er habe ungezielt und vor allem in Notwehr zugestochen, weil er und sein Bruder mit der Schusswaffe bedroht worden seien, so die Verteidiger. Sie erwarten auch, dass die Staatsanwaltschaft die eingestellten Ermittlungen gegen den Schützen wieder aufnimmt. Der Prozess wird fortgesetzt.