Zwei Polizisten müssen sich vor dem Amtsgericht verantworten – bei einem Urteil droht das Ende der Polizeilaufbahn Foto: dpa

Zwei Beamte des Innenstadt-Reviers müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt verantworten. Für ihren Job sieht es nicht gut aus. Das soll ein plötzlich aufgetauchter anonymer Brief ändern.

Stuttgart - Für einen 36-jährigen Polizeihauptmeister und seine 31-jährige Streifenkollegin geht es um viel: nämlich darum, auch weiterhin bei der Polizei arbeiten zu dürfen. Für den Staatsanwalt ist klar, dass sie in den Reihen der Polizei nichts mehr zu suchen haben – vor allem, nachdem sie in einem Parkhaus einem 23-Jährigen, der vor ihrer Kontrolle flüchtete, grundlos eine Nasenbeinfraktur samt Schädelprellung verpasst haben sollen. Vor dem Stuttgarter Amtsgericht sieht es für sie bisher nicht gut aus. Vor allem wegen eines Zeugen: Ein Parkhauswächter hat den Übergriff eindeutig beschrieben.

Am zweiten Verhandlungstag gibt es freilich eine Überraschung: einen anonymen Brief. Und der soll mit einem Schlag die Glaubwürdigkeit des Opfers wie auch des Parkhauswächters erschüttern. Amtsrichter Stolle verliest den handgeschriebenen Brief des Anonymus, der sich als Bekannter des Opfers bezeichnet. Der 23-Jährige habe nach dem Vorfall Anfang Juli 2015 in kleiner Runde erzählt, „dass er die Bullen richtig ficken will“, heißt es. Er habe hierfür einen guten Zeugen, mit dem er etwas ausgehandelt habe, „um die beiden zu vernichten“. Es sei auch „irgendwie um Geld“ gegangen. Der Schreiber halte das nicht für fair, weil die Beamten auch ihren Job verlieren könnten.

Der Brief – ein „Ablenkungsmanöver“?

Ähnlich geheimnisvoll ist auch der Weg des Briefs. Eine unbekannte junge Frau soll den am 29. April, zwei Tage nach dem ersten Prozesstag, einem Pärchen gegeben haben, mit der Bitte, diesen bei der Polizei abzugeben. Der Brief liegt als Beweisstück in der Revierstation Degerloch. Der Zufalls-Kurier soll nun vor Gericht gehört werden. Auch der Parkhauswächter soll noch einmal als Zeuge erscheinen.

Ob der oder die Schreiberin je ermittelt werden kann, ist freilich zweifelhaft. Der Staatsanwalt sieht darin „ein Ablenkungsmanöver“ und einen „Nebenkriegsschauplatz“. Es werde sich nie jemand dazu bekennen. Man könne nur spekulieren, auch darüber, ob der Brief womöglich aus dem Umfeld der Angeklagten stamme. Überdies gehe es nicht ums Hörensagen, sondern um Sachbeweise. Da sei jemand geschlagen und verletzt worden, und es gebe einen unabhängigen Zeugen.

Die Verteidiger stellen in Zweifel, dass der Parkhauswächter wirklich unabhängig gewesen sein soll. Ein Gutachter soll deshalb darlegen, ob der Faustschlag des Polizisten, wie ihn der Zeuge schildert, wirklich zu der Nasenbeinfraktur geführt haben kann.

Und was wird sein, wenn beide aus der Polizei fliegen?

Bei dem Prozess geht es noch um zwei andere Vorwürfe. Das Streifenduo soll sich mit einem Quartett angelegt haben, das einen weggeworfenen Kaffeebecher oder eine Mülltüte auf dem Schlossplatz gekickt haben soll. Nach einer Debatte endete einer in der Arrestzelle. In einem anderen Fall soll ein Streithahn in der Königstraße außer Gefecht gesetzt worden sein mit den Worten: „Kanake, das machst du nicht in meinem Land.“

Beide Polizisten sind Seiteneinsteiger. Der eine war zuvor Bürokaufmann und drei Jahre Feldjäger bei der Bundeswehr. Die andere Tanzveranstalterin in Berlin. Was passieren würde, wenn sie ihren Job verlieren sollten, fragt der Richter. Die 31-Jährige sieht ihre Studienpläne für die Polizei-Fachhochschule zerstört – und kämpft mit den Tränen. Der 36-Jährige, derzeit in den Objektschutz versetzt, sagt: „Es wird dann nicht so sein, dass ich auf der Straße sitze.“