Der Angeklagte wartet vor Gericht mit einer Überraschung auf. Foto: dpa

Ein 37-jähriger Betriebswirt soll bei einer Firma in Kreis Ludwigsburg rund vier Millionen Euro veruntreut haben. Am ersten Prozesstag ließ der Mann eine Bombe platzen.

Stuttgart - Die Anklage von Staatsanwalt Per Krafft kennt nur einen Schuldigen. Krafft wirft einem 37-jährigen Betriebswirt vor, er habe zwischen 2008 und 2013 als Mitarbeiter des Rechnungswesens einer mittelständischen Firma im Kreis Ludwigsburg rund 3,8 Millionen Euro veruntreut. Eigentlich sei es weit mehr gewesen, aber die illegalen Überweisungen des Angeklagten von 2003 bis 2007 in Höhe von mehr als einer Million Euro vom Firmenkonto aufs eigene Konto seien verjährt. Doch der Mann, der sich vor der 17. Strafkammer des Landgerichts verantworten muss, lässt am ersten Prozesstag eine Bombe platzen.

Davor hat jedoch der Staatsanwalt das Wort. Der Angeklagte aus Sindelfingen habe ab November 2002 eine Bankvollmacht über die Konten der Firma gehabt und sei 2008 gar zum Prokuristen aufgestiegen. 2003 sei er auf die Idee gekommen, mit gefälschten Geldtransfers seinen Säckel zu füllen – und zwar gewaltig. In regelmäßigen Abständen habe er mittels Daten von Dauerlieferanten Firmengeld auf sein Privatkonto transferiert. 197 solcher illegalen Buchungen wirft Krafft dem 37-Jährigen vor. Ab 2006 habe der Mann zudem sein Gehalt von anfangs 3860 Euro Schritt für Schritt auf 4600 Euro erhöht – ohne Rücksprache mit der Firmenleitung. Das mache summa summarum 258 Fälle der schweren Untreue mit Millionenschaden.

Jetzt ist Verteidiger Martin Stirnweiß an der Reihe. Was er im Namen seines Mandanten verliest, ist spektakulär und bringt den Prozessplan gehörig durcheinander. Denn die Einlassung des Angeklagten ist neu. Auch der Staatsanwalt hört sie zum ersten Mal, und er wird sich mit der Version des Angeklagten zu befassen haben.

„Mein Mandant räumt ein, Firmengeld auf sein Privatkonto überwiesen zu haben“, so Verteidiger Stirnweiß. Aber: Die Chefin der Firma habe die illegalen Geldentnahmen veranlasst. Der 37-Jährige sei nach kurzer Zeit in der Firma auf die Unregelmäßigkeiten aufmerksam geworden. Seine Chefin habe ihm daraufhin Schweigegeld angeboten. Der 37-Jährige bereue, dass er sich in den Betrug habe hineinziehen lassen.

Die Chefin habe das Geld illegal vom Firmenkonto abgezweigt, um ihre Steuerlast zu mindern und in Luxus leben zu können. Von dem veruntreuten Geld habe der Angeklagte die Hälfte an seine Chefin abgeben müssen. So habe er beispielsweise teure Luxusautos und Uhren mit dem Schwarzgeld gekauft, sie verkauft und so die Chefin ausbezahlt. Bei der Polizei habe sich die Chefin als Hausmütterchen dargestellt, das von einem Karrieristen abgezockt worden sei. „Sie hatte aber vielmehr die absolute Kontrolle über die Firma“, so der Angeklagte. Niemals hätte er beispielsweise im Jahr 2010 rund 900 000 Euro unbemerkt abzweigen können. Der Prozess wird am 28. April fortgesetzt.